Mais, Verbotskreuz

Anbau von Gentechnik-Mais in der EU: Bald erlaubt und verboten zugleich

(28.03.2017) Es wäre das erste Mal seit fast 20 Jahren: In Europa werden wohl bald weitere Gentechnik-Maispflanzen für den Anbau zugelassen. Für die meisten Länder - auch für Deutschland - hat das allerdings keine praktische Bedeutung. Die betreffenden gv-Maislinien sind bereits auf Dauer und rechtssicher verboten. Doch der politische Streit ist noch lange nicht zu Ende. Denn es geht ums Prinzip.

Mais, Blatt

Zulassung für 20 Gentechnik-Maise? Auch auf der Tagesordnung im Berufungsausschuss: Ein gv-Mais, der sich aus fünf verschiedenen Einzel-Events zusammensetzt (Bt11 x 59122 x MIR604 x 1507 x GA21). Dabei geht es um eine Importgenehmigung, nicht um den Anbau in der EU. - Der Antrag umfasst auch Unterkombinationen aus den einzelnen Events, insgesamt 20 verschiedene Kombinationen. Der Hintergrund: In der EU gilt - anders als in den USA - jede neue Kombination aus Events, als „neuer“ GVO, für den eine eigene Zulassung erforderlich ist. Das gilt auch für zufällige, etwa durch Einkreuzung enstehende Kombinationen. Dass jedoch nun auf einen Schlag 20 neue gv-Maissorten zugelassen würden, die noch nicht einmal jede für sich auf mögliche Risiken überprüft worden seien, wie es nun gentechnik-kritische Organisationen behaupten, ist irreführend.

Gestern konnte der EU-Berufungsausschuss – dort sind alle Mitgliedstaaten vertreten – sich nicht entscheiden: Es fand sich keine qualifizierte Mehrheit – weder für Zulassungen, noch dagegen. Wieder einmal muss nun die Kommission die Verfahren zu Ende bringen. Das sollte eigentlich die Ausnahme sein, doch wenn es um die Gentechnik geht, ist das seit 20 Jahren die Regel. Es zeigt, wie zerstritten die EU hier ist. Doch diesmal ist es besonders absurd.

Zur Abstimmung standen drei Anbauzulassungen für verschiedene gv-Maislinien: Zwei – Bt11 und 1507 -, über die seit vielen Jahren in der EU gestritten wird und der berühmte MON810-Mais, der bereits 1998 zum ersten Mal zugelassen wurde und als einziger gv-Mais in der EU - vor allem in Spanien - angebaut wird. Über den schon 2007 fälligen Neuantrag für MON810 wurde immer noch nicht abschließend entschieden. Außerdem sollte im Ausschuss über die Import-Zulassung für einen gv-Mais aus fünf kombinierten gv-Maislinien (Stacked Genes) entschieden werden.

Auch wenn erstmals seit vielen Jahren wieder Anbauzulassungen auf der Tagesordnung standen – die Abstimmung folgte einem seit langem eingespielten Ritual. Vor allem für die Gentechnik-kritischen Mitgliedstaaten ist es politisch bequem: Sie stimmen gegen die von der Kommission vorgelegten Zulassungsvorschläge oder – wie meistens Deutschland – enthalten sich. Konsequenzen für die Länder selbst hat das nicht. Aber sie verhindern die erforderliche qualifizierte Mehrheit und schieben der Kommission die in den EU-Verträgen festgelegte Aufgabe zu, die geltenden Gesetze zu vollziehen. Das bedeutet: Wenn bei der wissenschaftlichen Bewertung keine Sicherheitsmängel festgestellt wurden, muss die Kommission in der Regel die jeweilige gv-Pflanze zulassen. In der Öffentlichkeit sieht es dann so aus, als setze die Kommission stur und gegen die Mitgliedstaaten ihre Pro-Gentechnik-Linie durch. Das wird auch bei den Anbauzulassungen für die drei gv-Maislinien so sein, welche die Kommission nun wohl bald erteilen wird.

Das Abstimmungsverhalten der Länder macht die Kommission – oder allgemein „Brüssel“ – zum Gentechnik-Bösewicht. Um sich aus dieser Rolle zu befreien, aber auch um den einzelnen Ländern mehr „Selbstbestimmung“ zu ermöglichen, wurde nach langem Hin und Her die nationale Ausstiegsklausel (Opt-out) in die EU-Gentechnik-Gesetze eingefügt: Inzwischen können die Länder den Anbau von gv-Pflanzen verbieten oder sich mit den jeweiligen Unternehmen darauf verständigen, ihr Land bei der Zulassung auszusparen. Genau das ist in vielen EU-Ländern geschehen: In 17 Ländern und weiteren Teilregionen ist der Anbau der drei gv-Maislinien, die gestern zur Abstimmung standen, bereits verboten – auch in Deutschland. Diese nationalen Verbote sind rechtskräftig – ganz egal, ob sie nun die EU-weite Zulassung erhalten oder nicht.

Die Opt-out-Klausel, so die Erwartung, sei die einzige Möglichkeit, die lähmende Blockade in der europäischen Gentechnik-Politik zu überwinden. Die Mitgliedstaaten könnten auf wissenschaftlicher Basis und in Übereinstimmung mit den internationalen Handelsverträgen Zulassungen erteilen, ohne gleichzeitig auch den Anbau der ungeliebten gv-Pflanzen im eigenen Land erlauben zu müssen. Doch nun zeigt sich: Der Plan, mit einem typischen trickreichen EU-Kompromiss die Zulassungsverfahren politisch zu befrieden, ist gescheitert.

Noch immer sträuben sich Gentechnik-kritische Länder, gv-Pflanzen auf EU-Ebene zuzustimmen, wenn sie deren Anbau zugleich bei sich verboten haben. EU-weit ja, national nein - ein so widersprüchliches Abstimmungsverhalten ist politisch nur schwer vermittelbar. Doch die Opt-out-Klausel wurde immer auch aus dem Recht auf nationale „Selbstbestimmung“ abgeleitet – sowohl von den Ländern, die nicht anbauen wollen, als auch von solchen wie Spanien oder Portugal, die ihren Landwirten den Zugang zu gv-Mais erlauben wollen. Wer sich gegen eine EU-weite Zulassung sperrt, verwehrt diesen Ländern ihre Selbstbestimmung – so will es der ausgehandelte Opt-out-Kompromiss.

Wie so oft hat sich Deutschland bei der Abstimmung gestern enthalten, da es innerhalb der Regierungskoalition dazu keine gemeinsame Position gibt. Vor allem die SPD ist gegen eine EU-Zulassung, unter Druck gesetzt von den Grünen und den Anti-Gentech-Organisationen, die kompromisslos für EU-weite Verbote Stimmung machen. Die „Risiken der zur Zulassung anstehenden Sorten für Umwelt und Gesundheit sind nicht ausreichend geklärt,“ so ein (abgelehnter) Antrag der Grünen im Bundestag.

Trotz Opt-out ist das politische Dilemma für die EU weiterhin ungelöst. Deshalb will die Kommission die Mitgliedstaaten nun stärker in die Pflicht nehmen. Sie hat vorgeschlagen, dass bei Abstimmungen im Ausschussverfahren (Komitologie) Enthaltungen von Mitgliedstaaten künftig nicht mehr zählen und die jeweilige Mehrheit den Ausschlag geben soll.

Doch das, so befürchten viele, würde die Verfahren noch stärker politisieren und wissenschaftsbasierte Kriterien bei Zulassungsentscheidungen weiter in den Hintergrund drängen.

transGEN-Datenbank Zulassungen

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