Abstimmung über Gentechnik-Mais 1507 - Was macht Deutschland?

(17.12.2013) Im Frühjahr 2014 könnte der gentechnisch veränderte Mais 1507 in Europa für den Anbau zugelassen werden. Die EU-Kommission hat den Mitgliedsländern einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet. Nun müssen die zuständigen Minister der Länder entscheiden. Kommen sie zu keiner Einigung, ist die Kommission nach den Verfahrensregeln verpflichtet, Mais 1507 zuzulassen. Es wäre die erste Anbauzulassung für gv-Mais seit 15 Jahren. Mit besonderem Interesse wird das Stimmverhalten der neuen deutschen Bundesregierung beobachtet. Bisher hatte sich Deutschland meist enthalten.

Maiskolben

Entscheidungszwang durch das Europäische Gericht. Anbauzulassung für gv-Mais 1507: Wenn die Mitgliedsstaaten nicht entscheiden, ist die EU-Kommission am Zug.

Dass überhaupt über den Anbau von Mais 1507 zu entscheiden ist, geht auf ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichts zurück. Danach ist die EU-Kommission verpflichtet, eine Entscheidung über die Zulassung von 1507Mais herbeizuführen. Die bisherige Taktik, das Verfahren zu verschleppen und zumindest bis zur Europawahl im kommenden Frühjahr liegen zu lassen, hatte das Gericht für unrechtmäßig erklärt.

Bereits 2009 hatte die Kommission den Mitgliedsstaaten die Anbauzulassung erstmalig zur Entscheidung vorgelegt. Wie üblich konnten diese sich nicht mit qualifizierter Mehrheit dafür oder dagegen entscheiden. Seitdem ruhte das Verfahren - bis das Unternehmen Pionieer Hi-Bred dagegen klagte und Recht bekam.

Anfang November schlug daraufhin EU-Gesundheitskommissar Tonio Borg den Mitgliedsstaaten vor, den Anbau von Mais 1507 unter Auflagen zu genehmigen. Nun haben die Minister drei Monate Zeit, darüber abzustimmen. Diese Frist endet am 8. Februar 2014. Kommt keine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit zustande oder sollten die Minister sich gar nicht mit dem Vorschlag der Kommission befassen, ist diese verpflichtet, Mais 1507 zuzulassen, da alle gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Doch auch in diesem Fall wird der gv-Mais 1507 in Europa wohl kaum schon 2014 auf die Felder kommen. Bisher fehlen noch die notwendigen Sortenzulassungen. Zudem hat sich das Unternehmen Pioneer Hi Bred noch nicht dazu geäußert, ob und wann eine Markteinführung von 1507-Saatgut geplant ist. Abgesehen von Spanien und Portugal, wo die Landwirte schon länger gv-Mais nutzen, dürfte in Europa die Nachfrage aufgrund der mangelnden Akzeptanz nicht sehr groß sein.

Bereits 2001 war in Spanien die Anbauzulassung für Mais 1507 beantragt worden. 1507 ist ein gentechnisch veränderter Mais, der durch Übertragung eines Gens aus einem Bakterium in allen Pflanzenteilen einen insektiziden Wirkstoff bildet,Bt-Protein. Dieses Protein ist giftig für bestimmte Schmetterlingsarten wie den Maiszünsler. Außerdem ist der Mais unempfindlich gegenüber dem Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat. Beim landwirtschaftlichen Anbau darf diese Eigenschaft allerdings nicht genutzt werden.

2005 wurde die vorgeschriebene Sicherheitsbewertung von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) veröffentlicht. Aus ihrer Sicht gab es keine Bedenken gegen den Anbau. Mais 1507 sei genauso sicher für Mensch, Tier und Umwelt wie konventioneller Mais. Dieses Votum wurde jedoch unter Hinweis auf neuere Studien mehrfach angezweifelt und zur erneuten Überprüfung an die Behörde zurückgegeben. Insgesamt sechs Gutachten hat die EFSA in den letzten Jahren veröffentlicht, ergänzt um konkrete Empfehlungen zum Schutz empfindlicher Schmetterlingsarten und zur Vermeidung der Resistenzbildung bei den Schadinsekten.

Unterdessen regt sich massiver Protest. So hat sich der Umweltausschuss des EU-Parlaments mehrheitlich gegen eine Zulassung von 1507-Mais ausgesprochen.

Auch in Deutschland sehen gentechnikkritische Verbände und Organisationen im Anbau von Mais 1507 eine Gefahr für die Umwelt und mobilisieren in Kampagnen gegen seine Zulassung. Die bevorstehende Abstimmung im Ministerrat wird damit zur Nagelprobe für die Gentechnik-Politik der neuen Bundesregierung. Die Bioverbände Bioland und Naturland appellierten umgehend an den neuen Landwirtschaftsminister Friedrich (CSU), „sich für ein klares Nein Deutschlands zur Gentechnik stark zu machen“ und den Anbau von 1507-Mais abzulehnen.

Welche Haltung die Bundesregierung bei der Entscheidung über Mais 1507 einnehmen wird, ist jedoch ungewiss. Bislang hat sich Deutschland bei solchen Abstimmungen meist enthalten. Im Koalitionsvertrag heißt es lediglich allgemein, dass man die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der Grünen Gentechnik anerkenne.

Um die verfahrene Lage in puncto Gentechnik aufzulösen, warb Kommissar Tonio Borg noch einmal für den Vorschlag, den Mitgliedsländern die Möglichkeit einzuräumen, auch nach einer Zulassung den Anbau einer gv-Pflanze einschränken oder verbieten zu dürfen. Gründe hierfür müssten allerdings sozialer, ökonomischer oder ethischer Natur sein ohne die wissenschaftliche Sicherheitsbewertung durch die EFSA infrage zu stellen. Zuletzt hatte Anfang 2012 Dänemark, das damals den Ratsvorsitz innehatte, in dieser Sache einen Kompromissvorschlag ausgehandelt. Aber auch dieser erhielt im Ministerrat nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit. Deutschland sowie auch Frankreich und Großbritannien lehnten diese Möglichkeit nationaler Alleingänge bislang grundsätzlich ab, da sie darin einen Verstoß gegen den EU-Binnenmarkt und die WTO-Handelsverträge sehen. Bisher deutet nichts daraufhin, dass sich an der Haltung der einzelnen Mitgliedsländer etwas geändert hat.