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Großbritannien: Grünes Licht für Freilandversuche mit CRISPR-Pflanzen

Großbritannien macht Ernst und erleichtert Forschung und Freilandversuche mit genom-editierten Pflanzen. Das britische Parlament hat Mitte Januar ein entsprechendes Gesetz beschlossen. Darin werden editierte Pflanzen, die auch unter natürlichen Bedingungen hätten entstehen können, konventionellen weitgehend gleichgesetzt. Dies sei nur der erste Schritt zu einer umfassenden Neu-Regulierung nach einem wissenschaftlicheren Ansatz, so ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums.

Freilandversuche mit genom-editierten Pflanzen werden in Großbritannien künftig erheblich schneller und „unbürokratischer“ genehmigt als bisher. Mit dem neuen Gesetz nutzt das Land seine mit dem Brexit gewonnenen Spielräume und setzt sich von den aktuellen restriktiven EU-Vorschriften ab.

Pflanze, Genome Editing

Genom-editierte Pflanzen im Freiland. Das Rothamsted Research Institut testet bereits ge-Weizen mit einem verringerten Asparagin-Gehalt. Dadurch entstehen beim Backen weniger der gesundheitsgefährlichen Acrylamide. Mehrere britische Forschungsprojekte haben bereits neu entwickelte ge-Pflanzen im Freiland überprüft - bisher noch unter den alten, strengen EU-Regeln.

Freisetzungen EU Stand: März 2022

Kaum noch Forschung im Freiland. In der EU ist die Zahl der angemeldeten Versuche mit gv-Pflanzen drastisch gesunken. In Deutschland gibt es seit 2013 keine mehr. Derzeit gelten in der EU auch für einfache genom-editierte Pflanzen die gleichen komplizierten Verfahren und hohe Auflagen, die für Forschungsprojekte oft nicht finanzierbar sind.

Foto: iStock; Grafik, großes Foto oben: i-bio

Ambitionierte britische Pflanzenforschungsprojekte, die wie überall auf der Welt die neuen molekularbiologischen Züchtungsverfahren wie die Gen-Schere CRISPR/Cas nutzen, können sich über deutliche Kosten- und Zeitersparnisse freuen. „Damit werden unsere Fähigkeiten, verbesserte Pflanzen auf dem Feld zu testen, erheblich beschleunigt“ , begrüßte Angela Karp, Direktorin bei Rothamsted Research, dem führenden britischen Agrarforschungsinstitut, das neue Gesetz. „Das ist der erste positive Schritt in der Regulierung der Pflanzenbiotechnologie seit zwei Jahrzehnten,“ freute sich Professorenkollege Nigel Halford. Unsere Forscher können nun mehr Feldversuche mit gen-editierten Pflanzen durchführen“, ergänzte Dale Sanders, Direktor des John Innes Centre.

Mit besseren Rahmenbedingungen als in der EU will die britische Regierung die Erforschung und Entwicklung neuer Pflanzen fördern, die etwa „den Einsatz von Pestiziden und Herbiziden deutlich reduzieren“ und sie „gegen schwierige Witterungsbedingungen und den Klimawandel widerstandsfähiger machen“, so das britische Ministerium für Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft (Defra). Das neue Gesetz passt zu den ambitionierten Zielen der Regierung, bis 2030 zu einer „Wissenschaftssupermacht“ zu werden und „das Vereinigte Königreich in eine weltweit führende Position zu bringen, um Vorreiter für eine nachhaltige, klimafreundliche Landwirtschaft zu sein.“

Die Erleichterungen in der Forschung und für Freilandtests gelten für solche genom-editierten Pflanzen, die – theoretisch - auch mit konventionellen Verfahren gezüchtet werden könnten, dafür jedoch einen sehr langen Zeitraum benötigen. Weil mit den neuen Verfahren punktuelle und präzise Mutationen möglich sind, führen sie erheblich schneller zum Ziel als mit herkömmlicher Züchtung. Anders als bei der klassischen Gentechnik werden bei nun deregulierten Pflanzen jedoch keine zusätzlichen, „fremden“ Gene oder DNA-Material in das Erbgut eingeführt.

Jenseits von Labor und Versuchsfeld gelten auch in Großbritannien genom-editierte Pflanzen weiterhin als „gentechnisch verändert“ – mit all den regulatorischen Bremsen, die auch die EU-Kommission lockern möchte. Beim Anbau, aber auch bei der Kennzeichnung daraus hergestellter Lebensmittel richtet sich Großbritannien nach den alten EU-Regeln – vorerst. „Die neuen, gerade erlassenen Rechtsvorschriften sind der erste Schritt auf dem Weg zu einem wissenschaftlicheren und verhältnismäßigeren Ansatz für die Regulierung der Gentechnologien, der es uns ermöglichen wird, Innovationen mit diesen Technologien weiter zu erschließen“, so Jo Churchill, Ministerin für Agrarinnovation und Klimaanpassung.

Die Regierung will erst einmal den bereits begonnenen Konsultationsprozess fortsetzen, in den auch verschiedene Landwirtschafts- und Umweltgruppierungen einbezogen sind. Auch wenn sie versichert, dass es „bei den hohen Sicherheits-, Umwelt- und Tierschutzstandards keine Abstriche geben wird“, sorgt sich die Regierung offenbar, ein zu schnelles Tempo bei der Deregulierung der neuen Verfahren könne die Öffentlichkeit überfordern und zu ähnlichen Protesten führen wie vor zwanzig Jahren gegen die ersten gentechnisch veränderten Lebensmittel („Frankenfood“). Doch derzeit erscheint das nicht wahrscheinlich. Umfragen der Regierung deuten darauf hin, dass eine Mehrheit nicht grundsätzlich gegen genom-editierte Lebensmittel eingestellt ist.

Bis die ersten solcher Produkte in Großbritannien tatsächlich auf den Markt kommen, wird es wohl noch mindestens fünf Jahre dauern. Es bleibt also noch Zeit für ein umfassendes Gesetz.

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