Arabidopsis Antheren

Blockierte Forschung. Keine Freilandversuche mit CRISPR-Pflanzen

(29.03.2019) Überall, wo mit und an Pflanzen geforscht wird, ist die „Gen-Schere“ CRISPR/Cas nicht weit. Präzise und schnell können damit bestimmte Gene abgeschaltet werden, um so deren Funktion aufzuklären. Doch in Europa stoßen solche Projekte schnell an ihre Grenzen: Freilandversuche mit editierten Pflanzen scheitern an überzogenen Auflagen und einem feindlichen gesellschaftlichen Klima.

Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli 2018 fallen genom-editierte Pflanzen unter die Gentechnik-Gesetze. Nur in eigens dafür zugelassenen Laboren und Gewächshäusern ist es erlaubt, solche Pflanzen zu erzeugen oder mit ihnen zu experimentieren. Außerhalb dieser Sicherheitszonen sind sie Tabu: In die Umwelt dürfen sie nur, wenn das zuvor gentechnik-rechtlich genehmigt wurden. Und genau da fangen die Probleme an.

Freisetzungen Eu und D

Kaum noch gv-Pflanzen im Freiland. In den letzten Jahren ist die Anzahl der in der EU neu beantragten Freisetzungsversuche drastisch zurückgegangen. In Deutschland fand der letzte 2012 statt.

Leindotter

Nur drei. In Großbritannien wird genom-editierter Leindotter im Freiland getestet, der einen höheren Anteil an Omega-3-Fettsäuren bildet. Es ist eine von drei Freisetzungen mit GE-Pflanzen in Europa.

Großes Foto oben: Antheren (Staubbeutel) der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana), einer in der Pflanzenforschung viel genutzten Modellpflanze; Heiti Paves, 123RF

Um genom-editierte (GE-) Pflanzen im Freiland testen zu können, sind dieselben strengen, immer wieder verschärften Bedingungen zu erfüllen, wie sie schon seit langem für gentechnisch veränderte (gv-) Pflanzen gelten. Das kostet Zeit und Geld: Bei der zuständigen Behörde - in Deutschland das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) - müssen eine Menge Daten vorgelegt werden, in vielen Fällen wird der Versuch nur unter Auflagen genehmigt. Zudem ist es gesetzlich vorgeschrieben, die betreffende Fläche in das öffentliche Standortregister einzutragen. Häufig sind solche Feldversuche von radikalen Gentechnik-Gegnern zerstört worden.

Seit 2013 gibt es in Deutschland kein Versuchsfeld mit gv-Pflanzen mehr. Jetzt droht vielen Forschungsprojekten mit GE-Pflanzen das gleiche Schicksal. Zu aufwändig, zu viel Bürokratie, Proteste und wenig politische Unterstützung – es sind hohe Hürden zu überwinden, wenn das Verhalten von GE-Pflanzen nicht nur in der Sicherheitszone eines Gewächshauses untersucht werden soll. Viele Wissenschaftler kapitulieren und ziehen es vor, Forschungen, die nur unter freiem Himmel stattfinden können, lieber gleich ins Nicht-EU-Ausland zu verlagern.

Denn gerade wenn mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas die Funktion wichtiger Gene – etwa für Resistenzen gegen Krankheitserreger – aufgeklärt werden soll, sind Freilandversuche unter realistischen Umwelt- und Witterungsbedingungen unverzichtbar.

Schon länger beschäftigen sich die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena mit wildem Tabak (Nicotiana attenuata). In mehreren Projekten haben sie herausgefunden, wie die Pflanzen untereinander mit Hilfe chemischer Duft- und Botenstoffe kommunizieren, sich gegen Schädlinge wehren oder Nützlinge zu Hilfe rufen. Doch welche Stoffe sind es, wann werden sie an- oder abgeschaltet und was ist der genetische Hintergrund? Dazu wurden zuvor einzelne, potenzielle Kandidatengene im Labor blockiert und anschließend draußen untersucht, wie sich das Verhalten dieser Tabakpflanzen und der mit ihnen interagierenden Insekten ändert. Bisher geschah das mit gentechnischen Verfahren.

Auch in den USA benötigten die Jenaer Ökologen für Freilandversuche mit ihren Tabakpflanzen bisher eine gentechnik-rechtliche Genehmigung. Nun geht es einfacher: Für die neue Versuchsreihe haben die Forscher das CRISPR-System genutzt, um durch punktgenau herbeigeführte Mutationen die Gene zweier Proteine im Blütennektar auszuschalten. So will man herausfinden, wie sich die Zusammensetzung des Nektars auf die Häufigkeit der Besuche verschiedener Bestäuber – Bienen, Schmetterlinge, Kolibris – auswirkt und welche Folgen das für die ökologische Community haben könnte.

Dass nun bestimmte Gene nicht mehr mit klassischer Gentechnik, sondern mit der CRISPR-Gen-Schere blockiert wurden, hat einen doppelten Vorteil: Das neue Verfahren ist nicht nur deutlich schneller, billiger und kostengünstiger, sondern der regulatorische Aufwand, die so editierten Pflanzen im Freiland untersuchen zu können, sinkt drastisch – bisher allerdings nur in den USA.

Dort ist in der Regel keine formelle Genehmigung mehr erforderlich. Forschungseinrichtungen, aber auch Unternehmen können von der US-Landwirtschaftsbehörde prüfen lassen, ob die jeweiligen Pflanzen unter das dortige Gentechnik-Recht fallen oder nicht („Am I Regulated?“ Process). Diesen Service hat auch das Jenaer Max-Planck-Institut genutzt: In einem Brief hat es dargelegt, welche Gene mit Hilfe des CRISPR-Systems abgeschaltet wurden und dass die so editierten Tabakpflanzen, die nun auf Forschungsstationen in Utah und Arizona ausgebracht werden, nachweislich keine von außen eingeführte Fremd-DNA enthalten (Null-Segreganten). Nach der Bestätigung durch die US-Behörde können die Freilandversuche zur „Pollenkommunikation“ des wilden Tabaks ohne weitere Auflagen beginnen.

In den USA – und inzwischen in vielen anderen außereuropäischen Ländern – orientiert sich der Umgang mit genom-editierten Pflanzen nicht mehr an der Gentechnik, sondern an der normalen Züchtung. Ganz anders in Europa: Dort folgen öffentliche Meinung und weite Teile der Politik dem denkwürdigen EuGH-Urteil und werfen neue Genome Editing-Verfahren und „alte“ Gentechnik in den gleichen Topf.

Ohne die längst überfällige Reform der Gentechnik-Gesetze hin zu einer „differenzierten Bewertung“ der neuen Genome Editing-Verfahren werden in Europa Freilandversuche mit solchen Pflanzen seltene Ausnahmen bleiben. Für 2019 sind bisher drei Freisetzungen mit GE-Pflanzen im zentralen EU-Register eingetragen: zwei mit Leindotter und Kohl in Großbritannien, eine mit Mais in Belgien. Weitere geplante oder sogar bereits begonnene Versuche wurden nach dem EuGH-Urteil aufgegeben.

Eine ambitionierte Pflanzenforschung ist auf Freilandversuche angewiesen. Sind diese nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Bedingungen möglich, wird sich das früher oder später bemerkbar machen – nicht nur für die beteiligten Wissenschaftler, sondern auch für die Züchtung in Europa.

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