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Besondere Gesetze für genom-editierte Pflanzen? Das Dilemma der Nicht-Unterscheidbarkeit

Noch gelten in der EU genom-editierte Pflanzen ausnahmslos als Gentechnik. Viele Länder, allen voran die großen Agrarexporteure in Nord- und Südamerika, haben dagegen solche Pflanzen bereits weitgehend freigegeben. Nun will auch die EU die Gesetze anpassen. Das Problem: Jede besondere Regelung setzt voraus, dass editierte Pflanzen von natürlichen oder herkömmlich gezüchteten unterscheidbar sind. Das ist jedoch selbst mit modernen, extrem empfindlichen Analyseverfahren nicht möglich. Auch wenn gentechnik-kritische Organisationen es gerne anders hätten: Das wird wohl auch so bleiben.

Neue Züchtungstechniken wie etwa die Gen-Schere CRISPR/Cas sind in der EU der Gentechnik gleichgestellt. Egal, wie und was bei solchen Pflanzen „editiert“ wurde – sie fallen ausnahmslos unter die rigorosen Gentechnik-Gesetze, so hat es der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in seinem denkwürdigen Urteil vom Juli 2018 entschieden.

Das bedeutet: Mit den neuen Verfahren gezüchtete Pflanzen sind erst einmal verboten. Sie dürfen nur dann aufs Feld oder als Lebens- oder Futtermittel vermarktet werden, wenn sie ein Zulassungsverfahren durchlaufen haben und dabei alle Anforderungen erfüllen, die auch für gentechnisch veränderte (gv-) Pflanzen (GVO) gelten. Dazu gehören nicht nur Sicherheitsprüfungen bis hin zu Fütterungsversuchen, sondern auch spezielle Anbau- und Abstandregeln, die Pflicht zu Rückverfolgbarkeit über verschiedene Verarbeitungsstufen und die Kennzeichnung der Endprodukte.

Unter den gegenwärtigen Umständen wird die Marktkontrolle unbekannte genomeditierte Pflanzenprodukte nicht erkennen.

European Network of GMO Laboratories (ENGL)

Amtliche Kontrollen müssen sicherstellen, dass tatsächlich keine gv-Pflanzen auf den Markt kommen, die diesen Regeln nicht entsprechen. Das setzt voraus, dass gv-Pflanzen und -produkte analytisch eindeutig von anderen unterscheidbar sind. Das große Dilemma: Bei klassischer Gentechnik ist das möglich, bei den meisten genom-editierten Pflanzen jedoch nicht. Das liegt an der unterschiedlichen Art und Weise, wie das Erbgut modifiziert wird.

Bei der alten Gentechnik sind solche Nachweise seit vielen Jahren längst Routine. Gv-Pflanzen besitzen in der Regel von außen eingeführte „Fremd“-Gene oder speziell konstruierte DNA-Elemente (Genkonstrukt). Diese sind mit modernen PCR-Verfahren eindeutig nachweisbar, sogar dann, wenn wenige gv-Pflanzen einer großen Menge „normaler“ beigemischt sind. Damit die jeweilige gv-Pflanze (Event) bei Kontrollen zu identifizieren ist, muss das antragstellende Unternehmen eine charakteristische DNA-Sequenz (Primer) zur Verfügung stellen. Diese ist Voraussetzung für ein standardisiertes Nachweisverfahren. Damit kann in Saatgut, in Ernteprodukten oder in Schiffsladungen mit Agrarimporten eindeutig festgestellt werden, ob sich darin gentechnisch veränderte Pflanzen – und welche – befinden. Ohne ein solches Nachweisverfahren darf eine gv-Pflanze in der EU nicht zugelassen werden.

Genau das ist mit editierten Pflanzen nicht möglich. In den meisten Fällen wird kein „fremdes“ Genmaterial von außen eingeführt, sondern an einer vorbestimmten Stelle im Erbgut gezielt ein Bruch des DNA-Strangs herbeigeführt. Bei der anschließenden „natürlichen“ zelleigenen Reparatur der Bruchstelle können entweder einzelne DNA-Bausteine ausgetauscht werden. Oder das jeweilige Ziel-Gen wird fehlerhaft repariert, so dass es nicht mehr richtig abgelesen und damit inaktiviert wird. Nichts anderes passiert bei natürlichen Mutation, wie sie sich zufällig immer wieder und in großer Zahl ereignen.

In editierten Pflanzen sind also keine DNA-Sequenzen vorhanden, die für das Verfahren charakteristisch sind und ein PCR-Nachweis aufspüren könnte. Wenn die genaue DNA-Sequenz einer bestimmten Mutation bekannt ist, lässt diese sich zwar identifizieren. Doch ob es sich dabei um eine „natürliche“, zufällig entstandene handelt, ob sie auf konventionelle Züchtung zurückgeht oder gezielt „im Labor“ editiert wurde, ist nicht zu unterscheiden.

„Zusammenfassend lässt sich sagen“, so der offizielle Report des Europäischen Netzwerks der GVO-Laboratorien (ENGL), „dass die Validierung eines ereignisspezifischen Nachweisverfahrens und seine Implementierung für die Marktkontrolle nur für genomeditierte Pflanzenprodukte durchführbar sein werden, die eine bekannte DNA-Veränderung aufweisen, die sich als einzigartig erwiesen hat. Unter den gegenwärtigen Umständen wird die Marktkontrolle unbekannte genomeditierte Pflanzenprodukte nicht erkennen.“

Moderne molekularbiologische Methoden, die isoliert verwendet werden und auf einzelne kleine Mutationen abzielen, werden wahrscheinlich keine eindeutigen Informationen über die Quelle der Mutation liefern.

Malcolm Burns, LGC-Group

Seitdem dieser Report 2019 publiziert wurde, hat sich am Stand des Wissens kaum etwas geändert. Das Problem der Nicht-Nachweisbarkeit von genom-editierten Pflanzen ohne „artfremdes“ Genmaterial darin ist kein vorübergehendes Defizit, das sich durch mehr Forschung und verbesserte Verfahren schließen ließe. Es liegt in der „Natur“ neuer Verfahren wie CRISPR, TALEN oder ODM, die nur einzelne DNA-Bausteine „umschreiben“ und dabei innerhalb des Genoms der jeweiligen Pflanzenart bleiben. Das bestätigte erneut eine internationale Tagung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), die im März 2023 in Berlin stattfand. „Moderne molekularbiologische Methoden, die isoliert verwendet werden und auf einzelne kleine Mutationen abzielen, werden wahrscheinlich keine eindeutigen Informationen über die Quelle der Mutation liefern“, so das Fazit von Malcom Burn, Leiter der GVO-Analytik beim internationalen Life Science Unternehmen LGC.

Schon 2020 hatte das Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) zu Forschungsprojekten aufgerufen, um neue Methoden zum Nachweis und zur Identifizierung von genom-editierten Pflanzen zu entwickeln, „die geeignet sind, Kontrollen an Saatgut, Agrarrohstoffen sowie an Lebens- und Futtermitteln durchführen zu können.“ Zwei Projekte sind inzwischen abgeschlossen, doch bessere und zugleich praxistaugliche Verfahren sind nicht in Sicht. Wie kleine technisch editierte Mutationen eindeutig und gerichtsfest von natürlichen zu unterscheiden sind, ist weiterhin die ungelöste Schlüsselfrage.

Alternative Ansätze zur PCR-Analytik – etwa die vollständige Sequenzierung ganzer Genome – haben sich als nicht praktikabel erwiesen. Damit lassen sich zwar einzelne Pflanzen molekularbiologisch charakterisieren. Sie eignen sich jedoch nicht, um große Mengen von pflanzlichem Material auf bestimmte genom-editierte Pflanzen zu testen.

Dass genom-editierte Pflanzen analytisch zwar von gentechnisch veränderten, nicht aber von herkömmlichen unterscheidbar sind, wollen viele gentechnik-kritische Organisationen nicht akzeptieren. So meldeten etwa im September 2020 der Verband Lebensmittel ohne Gentechnik (VLOG) und Greenpeace, der Nachweis genom-editierter Pflanzen sei doch möglich. Sie hatten die Entwicklung eines PCR-basierten Verfahrens finanziert, mit dem ein bestimmter editierter Raps (Cibus) zuverlässig identifiziert werden könne. Doch bei einer näheren Überprüfung durch zertifizierte Labore stellte sich heraus, dass lediglich die Mutation nachzuweisen ist, die zu dem gewünschten Merkmal - in diesem Fall eine Herbizidtoleranz - führt, nicht jedoch das Verfahren, mit der sie erzeugt wurde.

Bleibt es dabei, dass in der EU genom-editierte Pflanzen wie gentechnisch veränderte eingestuft werden oder besonderen Regeln genügen müssen, die für herkömmliche Pflanzen nicht gelten, müssen editierte Pflanzen nachweisanalytisch unterscheidbar sein. Das ist jedoch nicht der Fall. Gesetzliche Bestimmungen, deren Einhaltung nicht kontrolliert werden können, führen zwangsläufig zu Täuschung und Rechtsunsicherheit – gerade in einem emotional so negativ aufgeladenen Thema wie der Gentechnik.

In den großen Agrarexportländern außerhalb der EU – USA, Kanada, Brasilien, Australien – werden inzwischen die meisten genom-editierten Pflanzen wie konventionell gezüchtete eingestuft. Eine besondere Zulassung benötigen sie nicht, sie können ohne Auflagen angebaut und vermarktet werden. In den USA stehen bereits editierte Raps- und Sojasorten mit neuen Eigenschaften auf den Feldern. Weizen, Mais oder Kartoffeln werden folgen, bald auch Zitrusfrüchte oder Erdnüsse. Ob es sich um editierte oder „normale“ Pflanzen handelt, interessiert dort nicht.

Zufällige Beimischungen in Agrarlieferungen nach Europa sind da kaum zu vermeiden.

Großes Foto oben: iStock

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