Reform der Zulassung von gv-Pflanzen in den USA

In den USA kaum noch Auflagen für neue und alte Gentechnik-Pflanzen. Bereits über hundert Freigaben

In der EU wird noch darum gerungen, in den USA ist sie schon umgesetzt: Eine Reform der Rechtsvorschriften für gentechnisch veränderte Pflanzen. Dort dürfen nun viele solcher Pflanzen ohne weitere Prüfung im Freiland getestet, angebaut und vermarktet werden. Das gilt für einfache genom-editierte Pflanzen, aber auch für gentechnisch veränderte mit zusätzlichen Genen, die bereits in früheren Verfahren als sicher eingestuft worden sind. Inzwischen sind in den USA bereits über hundert mit neuen (und alten) genomischen Verfahren gezüchtete Pflanzen freigegeben worden.

Als gegen Ende der 1980er Jahre in den USA erstmals besondere Vorschriften für gentechnisch veränderte (gv-) Pflanzen in Kraft traten, steckte die Grüne Gentechnik noch in den Kinderschuhen. Seit die berühmte „Anti-Matsch-Tomate“ (FlavrSavr) den Anfang machte, sind in den USA knapp 140 gv-Pflanzen auf mögliche Umweltrisiken überprüft und anschließend freigegeben worden.

USA: Anzahl bestätigter Anfragen von GE und GV-Pflanzen, Stand 02/2024

GE einfach: Änderung einer Eigenschaft infolge eines gezielten Doppelstrangbruchs der DNA und anschließender zelleigenen Reparatur, dadurch Deaktivierung des betreffenden Gens

GE mit DNA-Austausch: Doppelstrangbruch an einer bestimmten Stelle mit Austausch eines einzelnen Basenpaares

GVO mit bekanntem Merkmal: Gv-Pflanze mit einem Merkmal-Wirkungsmechanismus (MOA), der bereits in früheren Verfahren als sicher bewertet wurde

Von der USDA insgesamt bestätigte bzw. überprüfte GE- und GV-Pflanzen, die ohne Auflagen genutzt werden dürfen: ca. 110 Anmeldungen bzw. Anträge zu 21 Pflanzenarten etwa Soja, Mais, Baumwolle, Kartoffel, Reis, Gerste, Tomate, Hirse, Apfel, Orange, Baubeeren, Banane, Senf, Baumwolle, Leindotter, Erbse, Walnuss, Hanf, Teff (Bestätigte Anfragen sowie Freigaben nach RSR-Prozess (Regulatory Status Review))

Datenquelle USDA/APHIS, große Grafik oben: Bing Image Creator

Anders als in der EU, wo die 1990 beschlossenen, 2003 noch einmal verschärften Gentechnik-Gesetze noch immer in Kraft sind, hat das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) schon unter der Obama-Präsidentschaft einen breiten öffentlichen Prozess mit dem Ziel initiiert, die damaligen Gentechnik-Regularien zu überprüfen und sie so anzupassen, dass sie der dynamischen wissenschaftlichen Entwicklung und den Fortschritten gerade bei gentechnischen und molekularbiologischen Verfahren gerecht werden. 2020 wurden die überarbeiteten SECURE-Vorschriften (Sustainable, Ecological, Consistent, Uniform, Responsible, Efficient) beschlossen, seit Mitte 2021 sind sie in Kraft.

Zulassungen und behördliche Sicherheitsprüfungen sind nur noch bei solchen gentechnisch erzeugten Merkmalen vorgeschrieben, bei denen negative Auswirkungen auf andere Pflanzen möglich oder plausibel erscheinen. Wenn jedoch – gestützt auf jahrelange Erfahrung und die Erkenntnisse aus der Sicherheitsforschung – Schäden mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen sind, können solche Pflanzen ohne weitere Prüfung freigegeben werden. Besondere Auflagen, etwa bei Freilandversuchen, Anbau und Kennzeichnung, gibt es für sie nicht.

Die reformierten US-Vorschriften gelten wie bisher für die klassische Gentechnik, aber auch für neue Verfahren wie Genome Editing (Gen-Schere CRISPR/Cas). Zwei Gruppen von gv-Pflanzen sind jedoch von allen Zulassungspflichten und jeder behördlichen Aufsicht befreit – in manchen Fällen sogar vollständig:

  • Einfache genom-editierte Pflanzen, bei denen jeweils eine Gensequenz durch eine Punktmutation ausgeschaltet oder modifiziert wurde. Wenn Genmaterial eingefügt wurde, darf es nur aus dem jeweiligen Genpool stammen. Im Kern sind alle editierten Pflanzen ausgenommen, wenn sie auch durch herkömmliche Züchtung oder natürliche Mutationen hätten entstehen können. (Im wesentlichen entsprechen solche Pflanzen der Kategorie NGT1 wie sie im Reformvorschlag der EU-Kommission vorgesehen ist.)
  • Gv-Pflanzen mit einem bekannten Merkmal-Wirkungsmechanismus (Plant-Trait-Mechanism of Action, MOA), der bereits in früheren Zulassungsverfahren von den Behörden des USDA geprüft wurde und von dem keine plausiblen Umweltrisiken ausgehen. Gemeint sind einzelne Merkmale wie etwa Resistenzen gegen Schädlinge oder Herbizide, die biologisch genau so funktionieren wie in den ähnlichen, schon einmal zugelassenen Pflanzen. Alle bekannten MOA-Mechanismen, die ohne weitere Prüfung zu einer Befreiung von der Zulassungspflicht führen, sind in einer offiziellen Tabelle aufgelistet. Sie umfasst derzeit 194 MOA (Januar 2024) (siehe Übersicht rechts).

Wenn Unternehmen oder auch Forschungseinrichtungen der Ansicht sind, dass eine neu entwickelte Pflanze unter diese Ausnahmen fällt, sind sie nicht verpflichtet, die Behörden darüber zu informieren. Sie können jedoch freiwillig die zuständigen Stellen im US-Landwirtschaftsministerium um eine offizielle Bestätigung ihrer Selbsteinschätzung ersuchen. Diese Anfragen und die Antworten der Behörde werden veröffentlicht.

Bisher sind 67 Anfragen von der USDA als Ausnahmen bestätigt, überwiegend solche von Forschungsinstituten und kleineren Unternehmen wie Pairwise Plant Services oder Yield10 Bioscience, aber auch von Agro-Konzernen wie Bayer oder Syngenta. Nicht bei allen diesen Pflanzen ist schon bald mit einer kommerziellen Anwendung zu rechnen, die meisten befinden sich in der Entwicklung oder sollen im Freiland ohne sonst übliche Genehmigungspflicht getestet werden. Unter den bestätigten Ausnahmen sind Neu-Züchtungen bei 19 Pflanzenarten, darunter Kartoffeln, Äpfel, Bananen, Sojabohnen, Reis, Orangen oder Blaubeeren. 49 der Anfragen beziehen sich auf einfache genom-editierte Pflanzen ohne neu eingeführtes Genmaterial, bei neun wurden einzelne DNA-Bausteine umgeschrieben oder neu eingefügt.

Für Pflanzen, die nicht oder nicht eindeutig unter die in den SECURE-Vorschriften aufgeführten Ausnahmen fallen, können Institute oder Biotech-Unternehmen eine amtliche Überprüfung des regulatorischen Status beantragen (RSR, Regulatory Status Review). Innerhalb von 180 Tagen entscheidet die USDA-Behörde auf Basis des eingereichten Antrags, ob von der gv-Pflanze ein plausibles Umweltrisiko ausgeht. Ist das nicht der Fall, kann die Pflanze ohne weitere Auflagen in die Umwelt ausgebracht oder landwirtschaftlich genutzt werden. Antrag und Bestätigung sind öffentlich zugänglich.

Bisher ist der RSR-Prozess für 38 neu entwickelte Pflanzen abgeschlossen – etwa nicht-bräunende, pilz- und virusresistente Kartoffeln, nährstoffreiche Tomaten, Sojabohnen und Leindotter mit veränderter Fettsäurezusammensetzung, Mais und Tef (äthiopisches Getreide) mit kürzerem und deswegen standfesterem Halm. Diese Pflanzen sind nach abgeschlossenem RSR-Prozess von allen geltenden Auflagen befreit. In einigen Fällen sind damit erzeugte Lebensmittel kennzeichnungspflichtig („bioengineered“). Schon vor den neuen SECURE-Regeln sind bereits weitere genom-editierte Pflanzen freigegeben worden, etwa Sojabohnen mit erhöhtem Ölsäuregehalt.

Was die EU seit Jahren aufgeschoben hat und nun in einem zähen politischen Prozess feststeckt, ist in den USA bereits abgeschlossen: Die Anpassung der überholten Gentechnik-Vorschriften an den wissenschaftlichen Fortschritt. Während sich die EU dabei ausschließlich auf neue genomische Techniken (NGT) fokussiert, haben die USA ihre Gentechnik-Gesetzgebung insgesamt reformiert. Zulassungspflichtig sind nur noch solche Verfahren und Merkmale, bei denen die Erfahrungen noch nicht ausreichen, um Umweltrisiken ohne Einzelfallprüfung ausschließen zu können. Zugleich sind zahlreiche Pflanzen – mit alter und neuer Gentechnik – in den USA nicht mehr reguliert. Auch wenn die meisten derzeit (noch) nicht kommerziell angebaut werden, kommen sie früher oder später auf die Felder. Besondere Regeln beim Anbau oder Maßnahmen, um Vermischungen mit konventionellen Pflanzen zu verhindern, gibt es für diese Pflanzen nicht.

Bei der Regulierung der grünen Gentechnik – auch beim Umgang mit den neuen genomischen Züchtungsverfahren – bewegen sich die USA und die EU immer weiter auseinander. Jenseits des Atlantiks geht der Trend zu pragmatischen, erfahrungsbasierten Ausnahmen von den Gentechnik-Regeln, einem Abbau bürokratischer Prozesse und mehr Selbstverantwortung von Forschern und Unternehmen. Europa hält dagegen an komplizierten, kosten- und zeitintensiven Verfahren fest, die zudem politisch aufgeladen sind und die Vorbehalte in der Öffentlichkeit eher bestärken als sie abzubauen.

Mit den reformierten Regeln in den USA ist die Kluft zur EU noch einmal größer geworden. Was das für den internationalen Agrarhandel bedeutet, lässt sich kaum absehen.

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