Doudna, Charpentier, Zhang

Streit um CRISPR/Cas-Patente: Die unendliche Geschichte

Die Gen-Schere CRISPR/Cas hat die Lebenswissenschaften revolutioniert – und zugleich zahlreiche neue Anwendungsmöglichkeiten eröffnet: In der Tier- und Pflanzenzüchtung, der Biotechnologie und vor allem in der Medizin. Es geht auch um viel Geld. Seit Jahren streiten zwei „Lager“ erbittert um die Patentansprüche. Das führte zu unterschiedlichen Entscheidungen der Patentämter in den USA und Europa – und damit zu Verwirrungen bei Inhabern wie Lizenznehmern der Patente. Das Chaos ist noch lange nicht zu Ende. Inzwischen wurden in Europa sogar zwei wichtige Patente zurückgezogen.

Jennifer Doudna, Emmanuelle Charpentier

Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier sind internationale Popstars der Wissenschaft und werden mit Preisen überhäuft (hier bei der Verleihung des Paul Erhrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises 2016). Doch in den USA besitzen nicht sie, sondern Feng Zhang (Foto oben rechts) vom Broad Institute das Patent.
Foto: Goethe-Universität / Paul Ehrlich-Stiftung / Uwe Dettmar; großes Foto oben: Nobel Media, MIT

Keine Frage: CRISPR/Cas ist ein Durchbruch in der Molekularbiologie. Die Erbsubstanz DNA gezielt an einer vorbestimmten Stelle zu verändern - was vorher nur sehr aufwändig und oft fehlerhaft möglich war, ist mit der „Gen-Schere“ – so die inzwischen gebräuchliche Umschreibung – zu einem präzisen, einfach zu bedienenden Routineverfahren geworden.

2020 erhielten zwei Molekularbiologinnen – Jennifer Doudna, Professorin an der University of California in Berkley und die Französin Emmanuelle Charpentier, inzwischen Direktorin am Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie in Berlin – dafür den Nobelpreis für Chemie. In einem „bahnbrechenden Experiment“ hatten sie erkannt, dass in einem anfangs rätselhaft erscheinenden molekularen Mechanismus bei Bakterien – eine Art Immunsystem gegen Viren – das Potenzial für ein Universalwerkzeug zum punktgenauen Editieren von DNA steckt.

Das Erstaunliche: Es funktioniert in nahezu allen Organismen – bei Pflanzen, Tieren und auch bei menschlichen Zellen. „In diesem genetischen Werkzeug steckt eine enorme Kraft, die uns alle betrifft. Sie hat nicht nur die Grundlagenforschung revolutioniert, sondern auch zu innovativen Nutzpflanzen geführt und wird zu bahnbrechenden neuen medizinischen Behandlungen führen“, so das Nobelkomitee in Stockholm.

Spätestens mit dem Nobelpreis sind Doudna und Charpentier die bekannten Gesichter für CRISPR, mit hochdotierten Preisen überhäufte Weltstars der Wissenschaft. Im Mai 2012 hatten sie in einer wissenschaftlichen Publikation erstmals ihre Erfindung von CRISPR/Cas als universales Genome Editing-Verfahren beschrieben. Im gleichen Jahr reichte die University of California (UC, Berkeley) für Doudna und Charpentier einen entsprechenden Patentantrag bei der US-Patentbehörde (USPTO, US Patent and Trademark Office) ein.

Doch im April 2014 wurde überraschenderweise nicht allein ihnen das Patent zuerkannt, sondern auch Feng Zhang vom Broad Institute des MIT (Masschusetts Institute of Technology) und der Harvard-Universität. Er hatte mit seinem Team 2013 ebenfalls zu CRISPR publiziert und sofort einen Patentantrag gestellt, allerdings wenige Monate später als Doudna und Charpentier. Zhang hatte – zusammen mit dem bekannten Harvard-Professor George Church – zum ersten Mal CRISPR bei Maus- und menschlichen Zellen angewandt. Für die besonders lukrativen Anwendungen an „höheren“ Zellen (Eukaryoten) bekam das Broad Institute das CRISPR-Patent zugesprochen, für das Verfahren „an sich“ die University of California. Doch geklärt war damit nichts – im Gegenteil.

„Die anderen haben das Patent für grüne Tennisbälle“, so Doudna, „wir dagegen haben das Patent auf alle Tennisbälle.“ Sie und Charpentier beanspruchten weiter das grundlegende Patent auf das Verfahren und leiteten umgehend eine formelle Überprüfung (patent interference) ein. Doch sie scheiterten erneut. Im September 2018 entschied ein US-Berufungsgericht, die Patentansprüche des Broad Institute seien „hinreichend eigenständig“ und könnten neben denen von Doudna und Charpentier bestehen.

Doch keine der beiden Seiten wollte sich mit einem schwammigen Kompromiss zufrieden geben. Nach einer erbittert geführten Auseinandersetzung entschied die Berufungsinstanz des US-Patentamts im Februar 2022 überraschend, dass Zhang und dem Broad Institute das Patent für CRISPR-Anwendungen bei höheren Lebewesen allein zustehe. Es folgte damit der Darstellung des Broad Institute, die Zhang-Gruppe habe erstmals – und damit vor ihren Konkurrentinnen – das CRISPR-System erfolgreich eingesetzt. Damals war in den USA der Zeitpunkt der Erfindung maßgebend für ein Patent, nicht der, an dem der Antrag eingereicht wurde. Doudna und die University of California „zeigten sich von der Entscheidung enttäuscht“ und kündigen an, sie erneut anfechten zu wollen.

Inzwischen gibt es neben den von beiden Seiten beanspruchten Basispatenten unzählige weitere Patente rund um die CRISPR-Technologie, etwa zu verschiedenen Varianten des Cas-Schneideproteins. Allein bei den Baseneditoren, spezielle CRISPR-assoziierte Enzyme zur DNA-Editierung, sind inzwischen 730 Patente angemeldet. In einigen Fällen lassen sich damit die rechtlich unklaren Basispatente umgehen.

In Europa – und ähnlich in weiteren 30 Ländern – ist die Lage anders. Das Europäische Patentamt hat die Anmeldung des Broad Institute zurückgewiesen. Die vorgelegten Unterlagen seien nicht ausreichend, um die Patentansprüche anzuerkennen. Dort wurde die Berkeley-Gruppe mit Doudna und Charpentier erneut als Patentinhaberin bestätigt.

Die Rechtslage ist verworren. Unternehmen, die an kommerziellen CRISPR-Anwendungen arbeiten, wissen nicht, an wen sie die fälligen Lizenzgebühren zahlen müssen. Die unterschiedliche Auffassung in den USA und der EU führt dazu, dass Patente häufig angefochten werden.

Inzwischen näheren sich zahlreiche medizinische CRISPR-Anwendungen der Marktreife, erste auf CRISPR-basierende Gen-Therapien sind bereits zugelassen. Doch der Patentstreit schwelt weiter.

Nun haben Doudna uns Charpentier sogar zwei ihrer Basis-Patente in Europa zurückgegeben. Nach einem Bericht der MIT Technology Review kamen sie einer für sie negativen Entscheidung des Europäischen Patentamts zuvor (September 2024). Es wollte offenbar einer Beschwerde stattgeben und die beiden frühen CRISPR Patente revidieren. Wie sich diese neue Wendung im Patentstreit auf bestehende und künftige Lizenzvereinbarungen auswirkt, ist nicht absehbar.

Für akademische und andere nicht-kommerzielle Forschungsprojekte bleiben die CRISPR-Verfahren frei und ohne Lizenzgebühren nutzbar. Patentansprüche gelten hier nicht.

Patent auf CRISPR-Cas und damit gezüchtete Pflanzen: Geht das eigentlich?
CRISPR/Cas ist Mechanismus, mit dem Bakterien Viren abwehren. Ein solcher „natürlicher Prozess“ ist nach den geltenden Gesetzen nicht patentierbar, weder in der EU, noch in den USA. Doch ohne eine erfinderische Leistung wäre daraus kein universelles Verfahren geworden, um DNA-Bausteine in allen lebenden Zellen gezielt verändern zu können. Das Verfahren selbst - auch verschiedene Varianten und einzelne Elemente - sind patentfähig.
Ein Züchter, der mit CRISPR eine neue Pflanzensorte entwickelt hat, muss dafür Lizenzgebühren an den Inhaber des Patents zahlen. Fraglich ist, ob auch solche Pflanzen patentiert werden können, insbesondere in Europa. Vor allem dann, wenn es sich um einfache editierte Pflanzen ohne neu eingeführte Fremdgene handelt, die auch unter natürlichen Bedingungen hätte entstehen können. Editierte und „natürliche“ Pflanzen wären nicht unterscheidbar. Eine solche editierte Pflanze wäre keine „Erfindung“ und damit nicht patentfähig.
Bei der Reform der EU-Gentechnik-Gesetze zeichnet sich ab, dass einfache NGT-Pflanzen künftig nicht patentiert werden dürfen. Das EU-Parlament hat bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst.


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