Aquakultur

Mehr Fisch, weniger Überfischung: Aquakultur und neue Möglichkeiten der Fischzucht

Lachs ist der Vorreiter: Der eigentlich wild lebende Fisch kommt heute zu siebzig Prozent aus Aquakultur. Nur deswegen konnte Lachs zu einem für alle erschwinglichen Massenprodukt werden - ohne die natürlichen Bestände noch stärker zu überfischen. Doch das lässt sich nicht einfach auf andere Fischarten übertragen. Erst langsam beginnt eine systematische Züchtung von einzelnen Fischarten - auch mit Hilfe moderner molekularbiologischer Verfahren wie Genome Editing.

Die Meere sind überfischt, die Fangerträge gehen zurück oder werden durch Quoten deutlich eingeschränkt. Zugleich steigt die Nachfrage nach Fisch. Als gesundes Nahrungsmittel spielt er eine immer wichtigere Rolle für die Welternährung. Aquakultur könnte diesen Konflikt entschärfen – zumindest auf längere Sicht.

Fischerei und Aquakultur-Erzeugung weltweit 1950 bis 2020

Fischerei und Aquakultur-Erzeugung weltweit 1950 bis 2020. Beim Fischfang überwiegt die Meeresfischerei (ca. 80 Prozent), Aquakultur findet (noch) überwiegend in Binnengewässern statt (ca. 60 Prozent).

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In den letzten Jahrzehnten hat Aquakultur – die Produktion von Speisefischen und Krustentieren in mehr oder weniger abgegrenzten Anlagen – stetig zugenommen. Das Konzept ist noch relativ jung. Bis vor rund 50 Jahren wurden etwa Atlantische Lachse ausschließlich in freier Wildbahn gefangen. Inzwischen ist die Lachszucht ein weltweites Geschäft. Mit einer Produktion von mehr als 2,5 Millionen Tonnen jährlich gehören Lachse zu den Top-Ten der in Aquakulturen produzierten Fische. Lachs ist nicht mehr ein Luxusprodukt, sondern für viele erschwinglich.

Weltweit werden über 600 verschiedene Arten in Aquakulturen gehalten, nicht nur Fische, sondern auch andere Wasserorganismen wie Muscheln, Krustentiere oder Algen. Doch 90 Prozent der globalen Produktion entfallen auf nur 27 Arten(-gruppen) (Stand 2018). Die wichtigsten sind verschiedene Karpfenarten, Tilapia, Karauschen, Atlantischer Lachs und Pangasius, außerdem Garnelen und Austern. Der größte Teil der Produktion an Fischen und Meeresfrüchten (63 Prozent) entfällt auf das Binnenland. In Aquakulturen in Meeres- und Küstengewässern (sogenannte Marikulturen) werden überwiegend Weichtiere wie Muscheln gehalten.

Doch Aquakulturen haben nicht nur Vorteile: So können insbesondere Anlagen im Meer durch nicht vollständig verwertetes Futter, Ausscheidungen der Fische und tote Tiere zur Überdüngung von Gewässern beitragen. Außerdem sind gezüchtete Fische oft krankheitsanfälliger als Wildfisch und werden deshalb mit Antibiotika und anderen Medikamenten behandelt. Diese Wirkstoffe können über das Wasser in die Umgebung eingebracht werden. Auch können Zuchtfische entkommen und sich mit ihren wildlebenden Verwandten vermischen oder sie verdrängen.

Nicht alle in Aquakulturen gehaltenen Fischarten – etwa Thunfisch – können nachgezüchtet werden. Stattdessen werden wildlebende Jungtiere gefangen, um diese in abgegrenzten Anlagen zu mästen.

Die Lösung einiger dieser Probleme gehört heute zu den Zielen moderner Zuchtprogramme.

Züchtung für die Aquakultur: Mit neuen Verfahren

Die Zucht von Fischen hat eine lange Tradition und begann schon vor mehr als 3000 Jahren. Doch die kommerzielle Zucht von aquatischen Tieren ist im Vergleich zu Rindern, Geflügel und Schweinen bis heute wenig fortgeschritten.

Zuchtprogramme für die Aquakultur beschränken sich bisher auf wenige Arten wie den Atlantischen Lachs oder Tilapia, eine Fischart, die in vielen Entwicklungsländern ein wichtiges Nahrungsmittel ist. Die Zuchtziele reichen von verstärktem Wachstum, besserer Futterverwertung und Resistenz gegen Krankheiten bis hin zu Produktqualität oder auch Beeinflussung der Geschlechtsreife. Weltweit gibt es derzeit nur wenig mehr als 100 verschiedene Zuchtprogramme.

Zu den klassischen Zuchtverfahren wie Auslese und Kreuzung kommen heute molekular-genetische Techniken hinzu, wie die Identifizierung und Charakterisierung von Kandidatengenen, die Erstellung von Genom-Karten oder die Sequenzierung ganzer Genome, die dazu beitragen, die Effizienz von Zuchtprogrammen wesentlich zu erhöhen. Die Entwicklung neuer Züchtungsmethoden und die Fortschritte in der Genomik - der Erfassung und Analyse aller DNA-Sequenzen eines Genoms - wird in Zukunft die Zucht vieler Fischarten mit verbesserten Merkmalen ermöglichen und damit auch die Bedeutung der Aquakulturen vorantreiben.

Gentechnische Methoden konnten sich in der Zucht von Speisefischen bislang nicht durchsetzen. Doch mit den neuen Genome Editing-Methoden eröffnen sich viele Möglichkeiten, um auch komplexe Merkmale gezielt verbessern zu können. Weltweit arbeiten Forscher mit diesen neuen Methoden daran, aquatische Tiere für die Haltung in Aquakulturen zu züchten. Einige Entwicklungen sind in manchen Ländern bereits als nicht-GVO eingestuft, befinden sich aber noch vor der Vermarktung. So hat zum Beispiel das US-Unternehmen AquaBounty mit CRISPR/Cas einen Tilapia entwickelt, der durch gezieltes Ausschalten des Myostatin-Gens mehr Muskelmasse bildet. Myostatin ist ein Enzym, das normalerweise das Muskelwachstum hemmt. Ist das entsprechende Gen inaktiv, wachsen die Muskeln weiter. In Argentinien und Brasilien ist der genomeditierte Fisch bereits als nicht-GVO eingestuft worden. Um kommerziell genutzt werden zu können, muss die Genomeditierung jedoch erst noch in die gängigen Zuchtlinien eingebracht werden.

Ein internationales Projekt unter Leitung des norwegischen Forschungsinstituts Nofima beschäftigt sich damit, Lachse resistent gegen parasitische Seeläuse zu machen. Mehrere Arten des Pazifischen Lachses sind im Gegensatz zu den meisten Arten des Atlantischen Lachses gegen die Parasiten unempfindlich. Die Wissenschaftler versuchen nun die genetischen Hintergründe für diesen Unterschied aufzudecken, um dann mit Hilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas die verantwortlichen Gene bei Zuchtlachsen entsprechend anzupassen.

Ein anderes Projekt beschäftigt sich mit der Sterilität von Zuchtlachsen. Damit soll verhindern werden, dass eventuell aus den Zuchtbecken entkommene Lachse die weniger großen freilebenden Lachse mit der Zeit verdrängen. Bisher ist die einzige kommerziell angewandte Methode, um Lachse steril zu machen, die Verdreifachung des Chromosomensatzes (Triploidisierung) durch Temperatur- oder Druckeinwirkung. Triploide Fische sind jedoch weniger robust. Am norwegischen Institut für Meeresforschung haben Wissenschaftler mit CRISPR/Cas das sogenannte dead-end-Gen (dnd) bei Atlantischen Lachsen ausgeschaltet, wodurch sie steril werden: Diese Fische bilden keine Keimzellen aus und werden nicht geschlechtsreif, sind aber ansonsten gesund. Nun sollen fruchtbare Brutbestände aufgebaut werden, bei denen das dnd-Gen zwar abgeschaltet ist, aber durch Injektion von dnd-mRNA wieder aktiviert wird. Ihre Nachkommen sind steril.

Wissenschaftler an der Huazhong Agricultural University in China haben sich zum Ziel gesetzt, Riesenscheibenbrassen (Megalobrama amblycephala) zu züchten, die weniger Knochen haben. Damit soll die Verarbeitung zu Fischfilets vereinfacht werden. Die Forscher konnten bereits zwei an der Knochenbildung beteiligte Gene identifizieren und anschließend durch Genome Editing ausschalten. Der Ansatz soll auch auf andere Fischarten übertragen werden.

In Japan sind inzwischen bereits die ersten genom-editierten Speisefische für den kommerziellen Verkauf zugelassen: Rote Meerbrassen (Pagrus major) und Japanische Kugelfische (Takifugu rubripes). Beide wurden von dem Startup Regional Fish Institute in Kyoto mit Hilfe von CRISPR/Cas entwickelt. Die Roten Meerbrassen bilden während des Wachstums mehr Muskeln, die Kugelfische wachsen schneller und erreichen damit früher ihr Schlachtgewicht.

Ob auch in Europa solche Fische in den nächsten Jahren auf den Markt kommen werden ist fraglich, da die Akzeptanz der Verbraucher für Lebensmitteln aus genom-editierten Tieren die Voraussetzung ist.