Pflanzenöl, Sojabohnen

Neues Sojaöl auf dem Markt:
Mit Genome Editing, aber „ohne Gentechnik“

In den USA ist das erste Lebensmittelprodukt aus einer genom-editierten Pflanze auf dem Markt: Calyno, ein Speiseöl, hergestellt aus Sojabohnen mit verändertem und daher „gesünderem“ Fettsäureprofil. Diese können dort wie jede „normale“ Nutzpflanze ohne besondere Auflagen angebaut und verarbeitet werden. Das neue Öl wird sogar als „Non-GMO“ deklariert, was dem „Ohne Gentechnik“-Label bei uns entspricht. In Europa gelten die neuen Sojabohnen dagegen als „gentechnisch verändert“ und sind erst einmal verboten.

Calyno Öl, Sojabohnen

Calyno, das neue Sojaöl mit höherem Ölsäure-Anteil. Es stammt aus genom-editierten Sojabohnen, die in der EU als „gentechnisch verändert“ gelten und derzeit verboten sind. In den USA wird das Öl dagegen als „non GMO“ deklariert.

Sojabohnen

2020 bereits auf 40.000 Hektar. Die genom-editierten Sojabohnen von Calyxt werden im Vertragsanbau erzeugt. Von der Farm bis zur Ölverarbeitung besteht eine geschlossene Lieferkette.

Großes Foto oben: Sorapong Chaipanya / 123 RF; kleines Foto: Video Calyxt

Die Kampagne zur Markteinführung ist angelaufen: Calyno, das neue Pflanzenöl aus Sojabohnen, soll nicht nur gesünder sein als herkömmliche Produkte, sondern auch besser schmecken und weitere Vorteile haben – für die Lebensmittelindustrie, Restaurants und die eigene Küche zuhause.

Hergestellt wird das neue, nicht ganz billige Premium-Öl aus besonderen, mit Hilfe der neuen Genome Editing-Verfahren veränderten Sojabohnen. Vor ein paar Jahren gelang es Wissenschaftlern bei Calyxt, einem jungen Bioscience-Unternehmen aus Minnesota (USA), an zwei Stellen im Erbgut von Sojabohnen zwei Gene durch gezielte Mutationen zu blockieren und so das „natürliche“ Fettsäure-Spektrum zu verändern: Die Sojabohnen enthalten weniger gesättigte Fettsäuren, dafür deutlich mehr der gesundheitlich wertvolleren Ölsäure. Ihr Gehalt liegt nun bei 80 statt 22 Prozent bei konventionellem Sojaöl. Vor allem aber: Mit Speiseölen und -fetten aus den editierten Sojabohnen entstehen unter hohen Temperaturen, etwa beim Backen, Braten oder Frittieren, weniger Trans-Fettsäuren. Diese gelten als gesundheitlich bedenklich und müssen in den USA auf Lebensmitteln deklariert werden.

Im Frühjahr 2018 begann der kommerzielle Anbau: Farmer im mittleren Westen säten die neuen editierten Sojabohnen aus, zunächst auf einer Fläche von 6700 Hektar. In diesem Jahr (2020) sind es bereits 40.000 Hektar, weit mehr als der gesamte Sojaanbau in Deutschland. Die US-Farmer verpflichten sich gegenüber Calyxt, bestimmte Regeln einzuhalten und ihre Ernte an festgelegte Ölmühlen zu liefern. Damit sei „von der Farm bis auf den Tisch“ eine geschlossene Lieferkette gewährleistet, so Calyxt.

Früher als die großen Agro-Konzerne hatte Calyxt (anfangs unter dem Namen Cellectis) auf Genome Editing-Verfahren gesetzt, vor allem auf TALEN, eine gegenüber der neueren Gen-Schere CRISPR/Cas etwas kompliziertere Methode. Auch mit TALEN können an einer bestimmten Stelle im Erbgut gezielte punktuelle Mutation herbeigeführt werden, ohne dass in den Nachkommen der editierten Pflanze fremdes Genmaterial enthalten ist.

Bereits 2015 hatte die US-Landwirtschaftsbehörde (USDA) bescheinigt, dass die ölsäure-angereicherten Sojabohnen nach den gesetzlichen Kriterien nicht als gentechnisch veränderte (gv-) Pflanzen einzustufen sind. Damit konnten sie ohne weitere Auflagen und Genehmigungen angebaut und wie „normale“ Lebens- oder Futtermittel vermarktet werden.

Für fünf weitere TALEN-editierte Pflanzen hat Calyxt von der USDA bereits grünes Licht erhalten. Im nächsten Jahr soll Alfalfa (Luzerne) mit einem verringerten Ligningehalt und damit einer besseren Verträglichkeit in der Rinderfütterung auf den Markt kommen, danach Weizen mit einem erhöhten Ballaststoffanteil. Weitere Projekte zu Kartoffeln, Raps, Hafer, Erbsen und Erdnüssen befinden sich in der Pipeline.

Die Ölsäure-angereicherte Sojabohne ist nicht die einzige editierte Pflanze, die in Nordamerika auf den Feldern steht. Schon länger wird der Cibus-Raps angebaut, die erste mit einem der neuen zielgerichteten Verfahren (ODM) gezüchtete Nutzpflanze. Sie verfügt über eine Toleranz gegenüber einem Herbizid (Clearfield). Anders als bei vielen ähnlichen gv-Pflanzen ist hier die Resistenz-Eigenschaft nicht als zusätzliches Gen eingefügt, sondern im Erbgut wurden gezielt einzelne DNA-Bausteine ausgetauscht. Wie bei herkömmlichen herbizidresistenten Gentechnik-Pflanzen ermöglicht auch der Cibus-Raps (Markenname: Falco) durch die Kombination von Breitbandherbizid und „passender“ Pflanze eine effektivere Unkrautbekämpfung. Der große Unterschied: Der editierte Cibus-Raps gilt in vielen Ländern außerhalb der EU als konventionelle, nicht gentechnisch veränderte Sorte.

Inzwischen streben Agrokonzerne wie Corteva (entstanden aus DuPont Pioneer und Dow Agroscience) und Syngenta (Tochter von ChemChina) mit innovativen genom-editierten Nutzpflanzen auf den Markt, aber auch mehrere kleine Technologieunternehmen wie Simplot Plant Science, Evogene oder Startups wie Yield10 Bioscience.

Zahlreiche mit CRISPR oder TALEN editierte Pflanzen sind in den USA bereits offiziell als nicht-GVO klassifiziert („Am I Regulated“-Prozess; siehe: Im Web) und damit von besonderen Auflagen befreit, etwa ein Mais mit besonderer Stärkezusammensetzung (Waxy Corn), Leindotter (Camelina) mit einem höheren Anteil von mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäuren, Kartoffeln, Zitrusfrüchte, Sojabohnen, Mais oder Tomaten mit Resistenzen gegen krankheitserregende Viren, Pilze oder Nematoden, aber auch Tabak, Schnittblumen und verschiedene Gräser.

Bisher sind es nur wenige editierte Pflanzen, die in Nordamerika auf den Feldern stehen. Noch fallen die Flächen kaum ins Gewicht und wie bei den Ölsäure-angereicherten Sojabohnen sind es oft Premium-Produkte, die im Vertragsanbau getrennt von den für den Export bestimmten Massenprodukten erzeugt und weiterverarbeitet werden.

Je mehr dieser neuen editierten Pflanzen als Saatgut auf den Markt kommen, je mehr sie bei Landwirten – und Konsumenten – Erfolg haben, um so weniger lässt es sich ausschließen, dass sie oder ihre Ernteprodukte als zufällige Beimischungen in Agrarexporte gelangen. So geringfügig sie auch sein mögen: In Europa sind sie verboten. Denn hier gelten die in den Anbauländern frei nutzbaren Pflanzen als „gentechnisch verändert“. Sie müssen nach den strengen, komplizierten Gentechnik-Gesetzen der EU zugelassen sein, sonst dürfen sie die Grenzen nicht überschreiten. Diese politisch beschlossene „Nulltoleranz“ lässt keine Ausnahmen zu.

Europa steht vor einem Dilemma: In den Agrarimporten aus Nord- und Südamerika sind künftig – wenn auch in geringen Anteilen - Beimischungen genom-editierter Pflanzen zu erwarten. Nach dem denkwürdigen Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli 2018 sind sie zwar nicht erlaubt, doch kontrollieren lässt sich das nicht. Denn Nachweisverfahren, mit denen sich genom-editierte Pflanze eindeutig von zufälligen „natürlichen“ Mutationen oder anderen Züchtungsverfahren unterscheiden lassen, gibt es nicht. Eine Kontrolle der Agrarimporte auf „unbekannte genom-editierte Lebens- und Futtermittelprodukte ist nicht möglich“, so das Ergebnis eines Gutachtens der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC).

Europa bleibt nichts anderes übrig, als sich mit einem diffusen, im Einzelnen aber unbekannten Einsickern von eigentlich verbotenen genom-editierten Pflanzen abzufinden.

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