Gelbrost bei Weizen

Gemeinschaftsprojekt deutscher Pflanzenzüchter: Mit der Gen-Schere zum pilztoleranten Weizen

Über 50 deutsche Pflanzenzüchtungsunternehmen haben 2020 das gemeinsame Forschungsprojekt PILTON gestartet: Sie wollen Weizen mit einer besseren und dauerhaften Widerstandsfähigkeit gegenüber Pilzkrankheiten entwickeln – und das gleich gegen vier verschiedene Erreger. Sie nutzen dafür die Gen-Schere CRISPR/Cas, das bekannteste unter den neuen Züchtungsverfahren. Inzwischen werden mit der Gen-Schere veränderte Pflanzen mit Pilzsporen besprüht, um zu testen, ob sie tatsächlich weniger stark befallen werden - bisher nur im Gewächshaus.

Weizen, Fusarien

Gelbrost (großes Foto oben) und Fusarien sind verbreitete Pilzkrankheiten bei Weizen. Im Projekt PILTON soll eine natürliche Abwehrreaktion gegen diese und zwei weitere Schadpilze verstärkt werden.

Fotos: CYMMIT, iStock

Einige befallen die Blätter der Pflanzen, drosseln die Fotosynthese und damit den Ertrag, andere siedeln sich auf den Ähren an und produzieren starke Pilzgifte (Mykotoxine) oder verbreiten sich über die Samen – Pilzkrankheiten sind eine großes Problem im Weizenanbau. Dabei ist Weizen in Deutschland und Europa die wichtigste Kulturpflanze. Bei starkem Pilzbefall müssen Öko-Landwirte Ertragseinbußen hinnehmen, konventionelle müssen auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel zurückgreifen.

Doch die gesellschaftliche Akzeptanz für den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel sinkt. Spätestens mit dem „Insektensterben“ haben mögliche Nachteile für Umwelt und Biodiversität politisch ein hohes Gewicht. Bis 2030 soll der Einsatz von „chemischen Pestiziden“ um 50 Prozent reduziert werden, so das Ziel des Green Deal der EU-Kommission. Dem entgegenkommend läuft die Zulassung einiger der heute üblichen Fungizide in den nächsten Jahren aus. Neue bessere Wirkstoffe sind allerdings nicht in Sicht.

Die Landwirte stehen damit vor großen Herausforderungen: Sie müssen weiterhin Erträge einfahren, die nicht nur ihr eigenes Auskommen sichern, sondern auch eine ausreichende Versorgung mit dem Grundnahrungsmittel Weizen - und das unter schärferen Umweltauflagen, mit weniger Ressourcen und ohne die meisten der bislang genutzten Pflanzenschutzmittel.

Zwar gibt es auch jetzt bereits konventionell gezüchtete Weizensorten mit Toleranzen gegen bestimmte Pilze, doch diese bleiben meist nicht auf Dauer stabil. Oft treten die Erreger in verschiedenen, sich rasch ändernden Varianten auf. Früher oder später gelingt es ihnen, die Toleranz in den Weizenpflanzen zu überwinden. Bis neue, bessere gefunden und in Sorten eingebracht sind, kann es viele Jahre dauern – zu lang, um den variablen, anpassungsfähigen Erregern züchterisch hinterher zu kommen. Erst recht beim komplexen Weizen mit seinem riesigen Genom, fünfmal größer als das des Menschen, und einem dreifachen Chromosomensatz.

Weizen, der Pilzkrankheiten auch auf längere Sicht besser übersteht und so den Fungizideinsatz deutlich reduziert - das ist das Ziel des 2020 gestarteten PILTON-Projekts (Pilztoleranz von Weizen mittels neuer Züchtungsmethoden), eines gemeinschaftlichen Forschungsvorhabens, an dem sich - von Bayer Crop Science bis Weingut St. Urbans-Hof - 54 große und kleine deutsche Pflanzenzüchtungsunternehmen beteiligen.

Sie setzen dabei auf die Gen-Schere CRISPR/Cas, das inzwischen am häufigsten angewandte Genome Editing-Verfahren. Anders als bei der herkömmlichen Züchtung, bei der das Genmaterial zweier Kreuzungslinien mehr oder weniger zufällig vermischt wird, können damit einzelne DNA-Bausteine (Basen) punktgenau und präzise „umgeschrieben“ werden - im Kern nichts anderes als eine gezielt herbeigeführte Mutation, wie sie zufällig und in großer Zahl auch natürlich stattfindet. Der große Vorteil der Genom Editing-Verfahren: Sie können etablierte Kultursorten an einer bestimmten Stelle im Genom direkt verändern, ohne deren übrige Eigenschaften zu beeinträchtigen. Das zeitaufwändige Rückkreuzen wie bei der herkömmlichen Züchtung entfällt.

Beim PILTON-Projekt wird die Gen-Schere CRISPR/Cas genutzt, um einen natürlichen pflanzeneigenen Abwehrmechanismus zu verstärken. Eine Weizenpflanze schaltet diesen ein, sobald ein Pilzerreger eingedrungen ist und mildert so dessen Schadwirkung. Doch diese Reaktion schwächt sich nach einiger Zeit wieder ab, so dass der Pilz wieder die Oberhand gewinnt.

Aus der Grundlagenforschung weiß man, dass dafür ein bestimmter „Repressor“ verantwortlich ist. Ziel ist es, diesen zu deaktivieren, so dass die pflanzeneigene Abwehr von Pilzerregern stärker wirkt und über einen längeren Zeitraum aktiv bleibt. Um das zu erreichen, wird mit Hilfe der CRISPR-Schere der DNA-Strang im Bereich des Repressor-Gens durchtrennt. Bei der anschließenden Reparatur entsteht ein Fehler, der die Bildung des Repressors verhindert. Die Folge: Die Pilzabwehr funktioniert länger, die Pflanze bleibt vital genug, um Pathogen-Attacken ohne große Schäden zu überstehen. Das betrifft nicht nur einen Pilzerreger, sondern gleich mehrere. Der Weizen des PILTON-Projekts soll am Ende über eine breite „multiple“ Toleranz gegen Braunrost, Gelbrost, Septoria und Fusarium verfügen.

Zunächst konzentrierte man sich auf Sommerweizen, der eine kürzere Generationszeit als Winterweizen hat. Sommerweizen wird in Deutschland nur im kleinen Maßstab angebaut und dient als Viehfutter. Das schnellere Wachstum von Sommerweizen ermöglicht dem PILTON-Team, ihre Versuche früher auszuwerten.

Mit Hilfe eines maßgeschneiderten CRISPR/Cas-Systems gelang es, die Sequenz für das Repressor-Gen gezielt anzusteuern, es zu durchtrennen und damit abzuschalten. Molekularbiologische Untersuchungen belegen, dass diese Modifikation stabil ist und an die Nachkommen weitergegeben wird. Sie ist auch in allen drei Teilgenomen des Weizens wirksam. Inzwischen wurde diese Editierung auch bei Winterweizen durchgeführt. Dieser wird in Deutschland als der eigentliche „Brotweizen“ viel häufiger angebaut als Sommerweizen und ist daher für die Pflanzenzüchtung von besonderem Interesse.

Um zu überprüfen, ob die editierten Pflanzen tatsächlich widerstandsfähiger sind als normaler Weizen, wurden die Blätter mit Pilzsporen besprüht. 2021 und 2022 liefen dazu Versuchsreihen im Gewächshaus. Die edierten Pflanzen zeigten tatsächlich Abwehrreaktionen, die sogar gegen mehrere Schadpilze auf einmal wirkten.

Während die Ergebnisse zu Sommerweizen bereits vorliegen, sind die Versuche mit Winterweizen noch nicht ganz abgeschlossen. Fest steht aber jetzt schon, dass auch hier die Genom-Editierung eine Inaktivierung des Repressor-Gens bewirkte, die an die Folgegenerationen vererbt wird. Die Ergebnisse der Toleranz-Tests gegenüber den verschiedenen Schadpilzen stehen bisher noch aus.

Auch wenn die Versuche im Gewächshaus durchaus vielversprechend sind, so lassen sie sich nur bedingt auf die Situation im Freiland übertragen. Denn erst unter realistischen Bedingungen - bei natürlichen Witterungsbedingungen und an verschiedenen Standorten - zeigt sich, ob die neue Toleranz gegen Pilze tatsächlich wirkt. Und da fangen die Probleme an: Bleiben die Gentechnik-Gesetze in der EU so wie sie derzeit sind, gilt der pilztolerante PILTON-Weizen als GVO – Freilandversuche müssten nach Gentechnik-Recht genehmigt und durchgeführt werden. Bleibt es dabei, wäre der Aufwand für eine kommerzielle Zulassung des Weizens so hoch, dass er allenfalls für große, internationale Unternehmen zu stemmen wäre.

Dabei ist es ein weiteres Ziel des PILTON-Projekts, gerade kleinen und mittleren Züchtern einen breiten Zugang zu den CRISPR-Technologien zu eröffnen. Das betrifft nicht nur Wissen und Know how, sondern auch den Zugang zu Patenten. Im Rahmen des Projekts sollen Modelle entwickelt und mit den jeweiligen Patentinhabern verhandelt werden, wie Züchter fremde geistige Eigentumsrechte in einer angemessen, ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten entsprechenden Form nutzen können.

„Wir glauben,“ so Stefan Streng, einer der am PILTON-Projekt beteiligten Züchter, „dass wir durch ein anschauliches und praxistaugliches Projekt mit einer interessanten Pflanze, mit einer interessanten Eigenschaft und mit einem echten Mehrwert für den Landwirt, aber auch für die Gesellschaft zeigen können, dass ein Umdenken Sinn macht. Wir wollen also auch politisch wirken.“

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