Klimawandel

Anpassung von Nutzpflanzen an den Klimawandel: Wozu die Gen-Schere gut ist

Mit dem Klimawandel wird es nicht nur trockener und heißer. Wärmeliebende Schädlinge und Krankheitserreger wandern weiter nach Norden – in Regionen, in denen sie bisher nicht vorkamen und deswegen leichtes Spiel mit den Pflanzen auf den Feldern haben. Bis die Züchter neue, besser angepasste Sorten entwickelt haben, kann es viele Jahre dauern - zu lange, um dem Tempo des Klimawandels folgen zu können. Mit neuen Verfahren wie der Gen-Schere CRISPR/Cas könnte es schneller gehen.

Klimaanomalie Deutschland 2021

Es wird heißer. Abweichung der Jahrestemperaturen in Deutschland 1881-2021 vom langjährigen Mittelwert..
Grafik: DWD (Deutscher Wetterdienst), Grafik oben: Ed Hawkins, Show your stripes

Zickade

Zikaden (Foto) und Blattläuse sind als blattsaugende Insekten Überträger zahlreicher Pflanzenkrankheiten. Sie sind wärmeliebend und wandern mit steigenden Temperaturen nach Norden.

Foto: iStock

Der Klimawandel ist längst da: 2021 brach zwar keine neuen Hitzerekorde, doch die Temperaturen lagen weiterhin deutlich über dem Schnitt. 2020 und 2018 waren die beiden heißesten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Deutschland. 2018, als es über Monate nicht regnete, gingen die Getreideernten in Deutschland um 18 Prozent gegenüber dem Mittel der drei Vorjahre zurück, in Schleswig-Holstein waren es sogar 31 Prozent. Auch bei Raps und Kartoffeln fielen die Ernten oft kümmerlich aus.

Es war wohl nicht die letzte Dürre: In den nächsten 30 Jahren, so die Prognosen, werden die Durchschnittstemperaturen um ein bis 1,3 Grad Celsius steigen. Das große Ziel, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg bis 2100 auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, erscheint äußerst ehrgeizig und wird wohl nur gelingen, wenn der globale CO2-Ausstoß bis 2050 auf netto-Null zurückgeht.

Die Nordwanderung von Schädlingen und Pflanzenkrankheiten

Der Klimawandel ist längst da - und die Landwirtschaft muss sich darauf einstellen. Es sind nicht allein die direkten Folgen steigender Temperaturen - Hitze, Trockenperioden, abnehmende Bodenfeuchte, früherer Blühzeitpunkt -, die den Pflanzen zu schaffen machen. Es verändert sich auch die Verbreitung von Schädlingen und Krankheitserregern wie Pilze oder Viren. Plötzlich können neue Pflanzenkrankheiten in einer Region auftreten, in der sie bis dahin unbekannt sind. Dort angebaute Sorten haben dem wenig entgegenzusetzen. Ohne neue, besser angepasste Sorten gehen die Erträge noch einmal zurück.

Seit 1960 sind wärmeliebende Insektenschädlinge weltweit jedes Jahr um 2,7 Kilometer nach Norden gewandert. Bei einer Steigerung der Durchschnittstemperaturen um drei bis sechs Grad Celsius erwartet Prof. Frank Ordon, Leiter des Julius-Kühn-Instituts für Resistenzforschung und Stresstoleranz, eine Nordwanderung von bis zu tausend Kilometern. Nicht nur das: Mit der Wärme nehmen auch die biologischen Aktivitäten der Insekten zu. Sie sind länger im Jahr unterwegs, vermehren sich stärker oder bringen in einer Vegetationsperiode mehrere Generationen hervor. Es können sich neue Rassen oder Genotypen etablieren. Wenn das ökologische Gleichgewicht kippt, können Schädlinge plötzlich in Massen auftreten - so wie die aktuelle Borkenkäferplage in den Wäldern. Und dass auch die asiatische Tigermücke inzwischen in Deutschland angekommen ist, zeigt, wie sich die Landkarte der Schädlinge verändert.

Jeder Temperaturanstieg beeinflusst Verhalten und Verbreitung von Schädlingen. Vor allem in den gemäßigten Klimazonen bedeutet das geringere Ernten. Steigt die globale Durchschnittstemperatur um zwei Grad Celsius, nehmen laut einer Modellstudie der University of Washington (Seattle) die allein durch Schädlinge verursachten Ertragseinbußen bei Weizen um 46 Prozent zu, bei Mais um 31 und bei Reis um 19 Prozent (bezogen auf die derzeitigen Ernteverluste durch Schädlinge, Krankheiten und Unkräuter). Insgesamt könnten bei diesen drei Getreidearten die Ernten weltweit jährlich um 213 Millionen Tonnen geringer ausfallen.

Mit dem Klimawandel wird sich auch die geographische Verbreitung von Pflanzenkrankheiten ändern. Viele Erreger - Bakterien, Pilze oder Viren - werden künftig auch dort auftreten, wo sie bis dahin unbekannt oder gut zu kontrollieren waren. Zudem können unter veränderten Umweltbedingungen schnell neue - womöglich aggressivere - „Mutanten“ entstehen.

Einige Erreger werden von blattsaugenden Läusen oder Zikaden übertragen, die künftig vermutlich auch dort vorkommen, wo es ihnen bisher zu kalt war. Sie einfach mit Pflanzenschutzmitteln zu bekämpfen, wird in Zukunft nicht mehr durchgängig funktionieren. Oft fehlt es an geeigneten, in den jeweiligen Kulturen zugelassenen Wirkstoffen. Neue wird es so schnell nicht geben. Bis 2030, so hat die Europäische Union es sich zum Ziel gesetzt, soll der Einsatz „chemischer Pestizide“ um 50 Prozent reduziert werden.

Steigende Temperaturen und eine neu ausgerichtete Agrarpolitik verändern in Mitteleuropa die Bedingungen für die Landwirtschaft – in einem Tempo, das rasche Anpassungen erfordert. Das betrifft viele Bereiche – Anbaumethoden und Bewässerungstechnik, Umgang mit Ressourcen, Digitalisierung -, doch entscheidend wird sein, dass rasch neue widerstandsfähige Sorten auf die Felder kommen, die Schädlingen und Krankheiten aus eigener Kraft widerstehen können.

Manchmal sind solche Resistenzen im Laufe der jahrhundertelangen Züchtung verloren gegangen, aber in wilden Verwandten oder Landrassen - also im Genpool einer Art - noch vorhanden. Wenn man die jeweiligen Gene kennt oder in Genbanken gefunden hat, können diese in Sorten eingezüchtet werden und so deren Widerstandskraft verbessern. Doch der klassische Weg - kreuzen, die besten Nachkommen auswählen, immer wieder rückkreuzen - braucht viel Zeit: Je nach Kulturart zehn bis zwanzig Jahre – womöglich zu lang, um rechtzeitig auf das klimabedingte Auftreten von neuen Schädlingen oder Krankheiten reagieren zu können.

Gerade weil das Tempo des Klimawandels den Züchtern so wenig Zeit lässt ihre Sorten anzupassen, kommen die neuen molekularbiologischen Genome Editing-Verfahren – insbesondere die Gen-Schere CRISPR/Cas – ins Spiel. „CRISPR/Cas ist nur ein Werkzeug in der Pflanzenzüchtung, aber es wäre eines, das die Züchtung erheblich beschleunigt hätte“, so Frank Ordon in Top Agrar anlässlich einer großen Tagung über Klimawandel und Landwirtschaft (März 2019). Mit den neuen Verfahren seien Entwicklungszeiträume viel kürzer, so dass man schneller und effizienter auf die neuen Herausforderungen reagieren könne.

„Mehr Fortschritt wagen“

Mit Genome Editing ist es möglich geworden, einige der Zufälligkeiten zu überwinden, welche die herkömmliche Züchtung so zeitraubend machen. Nun können einzelne Mutationen punktgenau an einer bestimmten Stelle im Genom herbeigeführt werden, ohne das übrige, aus Milliarden von Basenpaaren bestehende Erbgut zu verändern. Damit kann etwa in einer etablierten Kultursorte gezielt eine weitere Eigenschaft - etwa eine Resistenz - „hinzueditiert“ werden. Anders als bei der Kreuzungszüchtung, wo Vermischungen der jeweiligen Gene unvermeidbar sind, bleiben die erwünschten Merkmale der Kultursorte erhalten.

So ist es einer chinesischen Forschergruppe um Gao Caixia gelungen, in einer Kulturweizensorte eine Resistenz gegen den Mehltau-Pilz zu erzeugen, dem wohl schädlichsten und teuersten Krankheitserreger bei Weizen. Das Besondere bei Weizen: Weil er ursprünglich aus drei verschiedenen Arten entstanden ist, besitzt er drei Genome und damit viele wichtige Gene in dreifacher Ausführung, auch das MLO-Gen, welches für das Eindringen des Pilzes in die Pflanzenzelle verantwortlich ist. Erst mit der Gen-Schere CRISPR/Cas wurde es möglich, alle drei MLO-Gene gleichzeitig zu blockieren, was mit klassischer Züchtung nahezu unmöglich ist. Deswegen gibt es bisher keine herkömmlich gezüchteten Weizensorten mit dauerhafter Mehltau-Resistenz.

Ein anderer Ansatz zielt darauf, die Interaktionen zwischen Pflanzenzellen und Viren zu unterbrechen. Wenn die molekularen Prozesse gut erforscht sind, über die Viren in Pflanzenzellen eindringen - etwa spezielle Proteinstrukturen auf deren Oberfläche -, kann mit Hilfe der neuen Verfahren dieser Weg versperrt werden. Etwa, indem die Oberfläche des pflanzlichen Eintrittsproteins so verändert wird, dass das Virus nicht mehr eindringen und sein biologisches Programm ausführen kann: Zellen zu kapern und sich dort zu vermehren.

Möglich ist auch, die natürlichen Abwehrreaktionen von Pflanzen gegen Pilzkrankheiten zu verstärken oder über einen längeren Zeitraum aktiv zu halten, indem einzelne DNA-Bausteine in den für die Regulation verantwortlichen Genen umgeschrieben werden. Dieses Konzept verfolgt das aktuelle Gemeinschaftsprojekt deutscher Pflanzenzüchter (PILTON), in dem mit Hilfe von CRISPR/Cas Weizen mit einer dauerhaften Toleranz gegen verschiedene Pilzkrankheiten entwickelt wird.

Mit Genome Editing können die Züchter im Wettlauf mit den Erregern nicht nur Zeit gewinnen, sondern auch grundlegend neue biologische Resistenzkonzepte realisieren. Gut ein Viertel der bis 2021 publizierten Genome Editing-Projekte bei Pflanzen (insgesamt 426) befasst sich mit diesen Zielen, so eine Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle (JRC) der EU-Kommission. Bei allen wichtigen Pflanzenarten – etwa Reis, Weizen, Mais, Sojabohnen, Raps, Kartoffeln, Banane, Tomate, Weinrebe, Cassava – wird daran geforscht. Erste Projekte stehen kurz vor der Kommerzialisierung, die meisten aus USA und China.

Doch Europa tut sich schwer, sich gegenüber den neuen Genome Editing-Verfahren zu öffnen. Damit gezüchtete Pflanzen fallen hier nicht nur unter die strengen Auflagen der Gentechnik-Gesetze, sie haben auch mit dem weit verbreiteten Negativ-Image der Gentechnik zu kämpfen. Dagegen haben fast alle großen Agrarländer außerhalb Europas einfache genom-editierte Pflanzen ohne neu eingeführte Fremdgene weitgehend freigegeben.

Angesichts des Klimawandels ist ein pauschaler Verzicht auf die neuen Züchtungsverfahren nur schwer zu begründen. Auch der Weltklimarat (IPCC) verweist in seinem Sonderbericht „Klimawandel und Landsysteme“ ausdrücklich auf die Bedeutung biotechnologischer Verfahren, etwa der Gen-Schere CRISPR/Cas. Damit sei es möglich, Pflanzen zu entwickeln, die besser mit Hitze- und Trockenstress sowie mit Schädlings- und Krankheitsbefall zurechtkommen. Ähnlich sieht es auch Frans Timmermans, Vizepräsident der EU-Kommission und zuständig für den europäischen Green Deal: „Mit neuen Genomtechniken gewonnene Pflanzen haben das Potenzial, zu den Zielen einer widerstandsfähigeren und nachhaltigeren Agrar- und Lebensmittelproduktion beizutragen“. Die Kommission will nun die veralteten Gentechnik-Gesetze „an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt anpassen“.

Im Herbst 2023 will die EU-Kommission ihren Vorschlag dafür vorlegen. Dann beginnt das lange, komplizierte europäische Gesetzgebungsverfahren. Wie es ausgeht, ist offen.

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