Boden, Pflanze, Mikrobiom

Über das Mikrobiom die Pflanze stärken: Eine Vision wird konkret

Mikrobiom-Forschung liegt im Trend. Universitäten und Unternehmen investieren in die Erforschung von Mikroorganismen-Gemeinschaften und ihren Einfluss auf die Pflanzengesundheit. Das ehrgeizige Ziel: Das Mikrobiom im Wurzelbereich so zu optimieren, dass Dünger und Pflanzenschutzmittel auf dem Acker überflüssig werden. Noch weiß man nicht sehr viel über das komplexe Zusammenspiel von Mikroorganismen und Pflanze. Dennoch sind schon einige Produkte auf dem Markt.

In der Erde, an den Wurzeln von Pflanzen, aber auch in Pflanzen und an ihrer Oberfläche leben Milliarden von Mikroorganismen. Sie bilden komplexe Lebensgemeinschaften, in denen einzelne Pilz- und/oder Bakterienarten miteinander konkurrieren und bestimmte Funktionen ausüben. Die Gesamtheit aller Mikroorganismen in einem bestimmten Lebensraum nennt man Mikrobiom.

Mikroorganismen Kultur auf Agarplatte

Viele Bakterien und Pilze wachsen auf einem Nährboden aus Agar. Diese hier stammen aus einer Handvoll Erde.

Foto: MPIPZ Köln

Arabidopsis-Pflänzchen auf phosphatarmem Nährboden mit und ohne Pilz

Arabidopsis-Pflänzchen wachsen besser, wenn man einer Nährlösung mit Phosphatmangel einen bestimmten Pilz zugibt. Bei unzureichendem Phosphatgehalt bleiben die Pflanzen klein. Der Pilz hilft den Pflanzen, das wenige Phosphat besser zu nutzen.

Heute weiß man, dass das Mikrobiom im Boden auf vielfältige Weise mit Pflanzen interagiert. Unter den unzähligen Mikroorganismen gibt es solche, die für die Pflanze schädlich sind, aber auch viele, die die Pflanze vor Krankheiten und Schädlingen schützen oder ihr bei der Stressbewältigung helfen. Andere sind für das Wachstum der Pflanze von Bedeutung. So tragen viele Mikroorganismen zur Nährstoffversorgung bei. Bekanntes Beispiel sind die Wurzelknöllchenbakterien, die eine Symbiose mit Leguminosen wie Bohne, Erbse oder Lupine eingehen. Die Bakterien versorgen die Pflanze mit Stickstoff und beziehen von ihr Zucker.

Wie das Mikrobiom sich zusammensetzt, hängt u.a. von dem Zusammenspiel zwischen Pflanze und Mikroorganismen ab. So bilden Pflanzen eine Vielzahl von chemischen Signalstoffen, von denen bestimmte Mikroorganismen angelockt werden und sich in oder an der Wurzel ansiedeln. Solche Signalstoffe spielen auch eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern oder Fraßfeinden.

Die Erforschung des Mikrobioms hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Ziel ist es, das Mikrobiom wichtiger Kulturpflanzen so zu beeinflussen und zu optimieren, dass zukünftig der Einsatz synthetischer Dünger und Pflanzenschutzmittel verringert werden kann oder ganz überflüssig wird.

Zunächst ist aber viel Grundlagenforschung nötig, um einzelne Mikroorganismen in ihrer Wirkung auf die Pflanze und den jeweiligen genetischen Hintergrund zu untersuchen. Darüberhinaus geht es darum, das Zusammenspiel der verschiedenen Mikroorganismen untereinander und im Wechselspiel mit der Pflanze zu verstehen. So haben beispielsweise Wissenschaftler am Kölner Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung herausgefunden, dass ein Pilz (Colletotrichum tofieldiae) der Pflanze bei der Aufnahme von Phosphat helfen kann. Phosphor ist ein wichtiger Nährstoff für die Pflanze, und eine bessere Aufnahme des im Boden vorhandenen Phosphors könnte den Einsatz von Dünger reduzieren. Nun muss noch überprüft werden, ob die gesteigerte Phosphataufnahme mit Hilfe von C. tofieldiae auch im Feld funktioniert. Denn wenn viele andere Mikroorganismen mit ins Spiel kommen, hebt sich möglicherweise die Wirkung auf oder kehrt sich ins Gegenteil, denn viele verwandte Arten dieses Pilzes sind Pflanzenpathogene.

Mikrobiome so genau untersuchen zu können, ist erst durch neue Techniken möglich geworden. Konnte man früher nur diejenigen Mikroorganismen nachweisen, die sich auf Nährböden kultivieren lassen, so kann man heute das gesamte Mikrobiom mit Hilfe von DNA-Sequenzierern erfassen, die in Hochdurchsatz-Geschwindigkeit arbeiten. Neueste mikroskopische Methoden ermöglichen es außerdem, einzelne Arten sichtbar zu machen.

Biologicals und Probiotics für Pflanzen

Zahlreiche Forschungsinstitute, große Unternehmen und kleinere Startups arbeiten daran, das Pflanzen-Mikrobiom so zu optimieren, dass es den Pflanzen zu besserem Wachstum und höherer Widerstandsfähigkeit verhilft. Es gibt bereits erste Produkte auf dem Markt, bei denen nützliche Mikroorganismen gezielt für den Pflanzenschutz eingesetzt werden. So können einige Mittel wie Dünger auf den Boden ausgebracht werden (z.B. Holganix). Sie enthalten sogenannte Probiotics, einen Mix aus nützlichen Mikroorganismen, die Pflanzenwachstum und -gesundheit fördern und den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln überflüssig machen sollen.

Bei anderen Anwendungen wird Saatgut mit nützlichen Mikroorganismen – sogenannten Biologicals- ummantelt (Coating). Mit aufwändigen Screening-Verfahren wird unter den Milliarden von Mikroorganismen gezielt nach nützlichen Arten gesucht. So hat z.B. die KWS Saat SE Zuckerrübensaatgut entwickelt, das mit verschiedenen Bakterienstämmen umhüllt ist, die bei Trockenheit und auf wenig fruchtbaren Böden den Ertrag erhöhen können. Nach der Aussaat vermehren sich die Bakterien im feuchten Boden, besetzen den Lebensraum rund um das Saatgutkorn und bilden bestimmte Stoffwechselprodukte, die die Keimlinge vor abiotischem Stress und schädlichen Pilzen schützen.

Die Firma Indigo brachte als erstes kommerzielles Produkt eine Baumwolle auf den Markt, deren Saatgut vor Trockenstress geschützt ist. Inzwischen verkauft die Firma auch ähnlich behandeltes Saatgut von Sojabohne, Reis, Weizen und Mais. Dabei gibt es auch Coatings mit Mikroben, die die Pflanze robuster gegenüber Hitze machen sollen und die mit Hilfe von Stickstoff-fixierenden Bakterien eine bessere Stickstoffversorgung gewährleisten.

Mit den Konzepten der synthetischen Biologie ist es grundsätzlich möglich geworden, Mikroorganismen - oder Teile - so zu designen, dass sie ganz neue Aufgaben und Funktionen übernehmen können. So hat etwa Bayer gemeinsam mit Gingko Bioworks, einem jungen Startup-Unternehmen aus Boston, Joyn Bio gegründet. Ziel ist es, Stickstoff-fixierende Bakterien dazu zu bringen, dass sie Kulturarten wie Mais oder Weizen besiedeln und mit Stickstoff versorgen - also das können, was Rhizobien schon immer für Leguminosen leisten.

Um die Gene ausfindig zu machen, die für die Stickstofffixierung von Bedeutung sind, müssen zunächst Datenbanken nach Bakterien durchsucht werden, die in der Lage sind, Stickstoff zu fixieren. Im Labor sollen die bei der Stickstofffixierung beteiligten Gene dann gezielt zusammengesetzt und in das Genom geeigneter Mikroorganismen eingebaut werden. Den komplexen Stoffwechselweg der Stickstofffixierung nachzubauen ist allerdings schwierig, da zahlreiche Gene daran beteiligt sind. Damit die maßgeschneiderten Bakterien die Zielpflanzen erreichen, sollen auch hier die Samen mit den Mikroben ummantelt werden, so dass sie nach der Aussaat aktiv werden können. Wie solche Design-Bakterien reguliert werden, wenn sie denn auf den Markt kommen sollten, ist allerdings noch offen.

Andere Ansätze nutzen die neuen Genome Editing-Verfahren, um Mikroorganismen durch gezielte Mutation zu verändern. In den USA brachte die Firma Pivot Bio 2019 das erste Produkt mit genomeditierten Mikroorganismen in den Handel. Sie fixieren Stickstoff und verbessern die Versorgung der Pflanze. Das Produkt mit dem Namen PROVEN wird bereits von zahlreichen Landwirten eingesetzt. Die editierten Mikroorganismen wurden in den USA nicht als „gentechnisch verändert“ eingestuft und dürfen somit dort ohne besondere Regulierungsvorgaben angewendet werden.

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