Mais bei Dürre

Ein drängendes Züchtungsziel: Pflanzen, die mit weniger Wasser auskommen

Kulturpflanzen, die weniger Wasser benötigen, aber dennoch gute Erträge bringen – inzwischen das wohl wichtigste Ziel in der Pflanzenzüchtung. Mit dem Klimawandel wird es in vielen Regionen heißer und trockener. Die Folgen: geringere Ernten, manchmal mit dramatischen Folgen. Doch egal mit welchen Verfahren - herkömmlich, mit alter oder „neuer“ Gentechnik - der Weg zu trockentoleranten, klimaresilienten Pflanzensorten ist kompliziert. Schnelle, einfache Lösungen gibt es nicht. Doch inzwischen zeichnen sich erste Erfolge ab.

Arabidopsis Mutatanten

Grundlagenforschung mit Arabidopsis, der „Hauspflanze“ der Pflanzengenetiker. Einzelne Pflanzen kommen besser mit Trocken- oder Hitzestress klar als andere. Mit Hilfe leistungsfähiger Sequenzierautomaten kann man herausfinden, auf welche Genvarianten das zurückzuführen ist und sie dann als genetische Ressource für die Züchtung nutzen.

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Weizen Notreife

Kein Wasser, kein Wachstum. Die Notreife ist ein natürlicher Schutzmechanismus vieler Pflanzen: Bei Dürre stellen sie das Wachstum ein und werden vorzeitig reif, Weizenkörner bleiben klein und schrumpelig (Foto: Notreifekorn und normales Weizenkorn).

Die letzten heißen Jahre waren wohl nur der Vorgeschmack: In Mitteleuropa, aber auch in vielen Regionen der Welt nehmen Dürreperioden zu. Um die Ernten zu sichern, müssen Pflanzen künftig auch bei Wassermangel gute Erträge liefern. Doch lange Zeit war eine verbesserte Trockentoleranz für die Pflanzenzüchter ein schwieriges und vernachlässigtes Ziel. Das ändert sich gerade, denn der Problemdruck ist groß – und mit dem Klimawandel wird er weiter zunehmen.

Bereits jetzt ist Wasser eine äußerst knappe Ressource. Zwei Drittel des weltweiten Wasserverbrauchs gehen auf das Konto der Landwirtschaft. In vielen Regionen ist das vorhandene Wasser der limitierende Faktor. Es kann nur die Menge an Nahrungsmitteln erzeugt werden, für die das Wasser ausreicht.

Die Landwirtschaft ist der am stärksten von Dürren und Wasserknappheit betroffene Wirtschaftszweig. So entfällt etwa ein Viertel der globalen Weizenproduktion auf Länder mit hohem oder sehr hohem Dürrerisiko. Der Klimawandel gefährdet Ernten und damit die Ernährungssituation in vielen Regionen der Welt. In Ostafrika kam es mehrfach zu Hungerkatastrophen, als der Mais – dort Grundnahrungsmittel – auf den Feldern verdorrte. Und auch in Deutschland entstanden den Landwirten im Dürrejahr 2018 Schäden von 2,5 Milliarden Euro.

Zwar können die Landwirte durch angepasste Kulturarten, geeignete Fruchtfolgen und Bearbeitungsverfahren die Austrocknung und Erosion des Bodens vermindern. Doch der Schlüssel, die Folgen von Klimawandel und Wasserknappheit abzumildern, ist die Entwicklung von Pflanzen mit hoher „Wassernutzungseffizienz“ – die möglichst viel Ertrag mit wenig Wasser produzieren und so dazu beitragen, dass Hitze und Trockenheit die Ernten nicht mehr so schnell gefährden.

Molekularbiologie, Genetik oder Bioinformatik – Wissenschaftler aus vielen Bereichen der Pflanzenforschung, aber auch Züchter arbeiten überall auf der Welt an solchen klimaresilienten Pflanzen. Doch anders als manche Resistenzen gegen Krankheiten oder Schädlinge wird eine bessere Toleranz gegenüber abiotischem Stress – Hitze, Trockenheit, aber auch Kälte und Versalzung – nicht durch einzelne Gene bestimmt, sondern durch ein komplexes Zusammenspiel zahlreicher genetischer Faktoren.

Grob unterteilt umfasst die Entwicklung trocken- und stresstoleranter Pflanzen zwei Stufen.

(1) Den genetischen Hintergrund für Trocken- und Stresstoleranz identifizieren.

Bestimmte Pflanzen haben auf veränderte Umweltbedingungen mit komplexen Anpassungsstrategien reagiert und so „gelernt“, auch längere Perioden ohne Wasser zu überleben. Manche Pflanzenarten intensivieren etwa bei Trockenheit ihr Wurzelwachstum, um an Wasser in tieferen Bodenschichten heranzukommen, andere stellen dagegen das Wachstum ein.

Ein weiterer Mechanismus zur Regulation des Wasserhaushalts sind die Spaltöffnungen (Stomata) an der Blattunterseite, mit denen Pflanzen ihren Gasaustausch steuern. Bei Wassermangel bleiben sie geschlossen. Über diesen Vorgang lässt sich die Wassereffizienz einer Pflanze zwar deutlich verbessern, doch führen geschlossene Stomata auch zu einer Verringerung der Fotosynthese und damit auch des Ertrages.

Um solche Anpassungsmechanismen für die Pflanzenzüchtung nutzen zu können, müssen sie molekularbiologisch verstanden sein. Es gilt herauszufinden, von welchen Genen sie codiert und wie sie reguliert werden. Meist sind es nicht einzelne DNA-Sequenzen, sondern komplexe, sich gegenseitig beeinflussende Netzwerke. Hinzu kommen Interaktionen beim „Ablesen“ des genetischen Codes und seiner „Übersetzung“ in Proteine (Transkriptom).

Noch ist daher viel Grundlagenforschung nötig, um überhaupt Ziele zu finden, an denen die Entwicklung stress- oder trockentoleranter Pflanzen ansetzen könnte – ohne gleichzeitig andere erwünschte Merkmale zu beeinträchtigen.

(2) Identifizierte Stresstoleranz-Gene in der Züchtung nutzen.

Die Pflanzenforschung erweitert die nutzbare genetische Vielfalt, indem sie geeignete Gene oder Netzwerke identifiziert, welche die Stresstoleranz von Kulturpflanzen verbessern könnten. Für die praktische Züchtung müssen sie in deren Genom eingebracht oder dort aktiviert werden. Das ist sowohl mit herkömmlichen – allerdings molekularbiologisch unterstützten – Züchtungsverfahren möglich, als auch mit Hilfe der Gentechnik und den neuen Genome Editing-Verfahren wie der Gen-Schere CRISPR/Cas.

Klassische Züchtung (Smart Breeding): Vor allem mit der modernen „Präzisionszüchtung“ - auch Smart Breeding genannt – sind in den letzten Jahren erstaunliche Fortschritte bei Sorten mit verbesserter Stresstoleranz erzielt worden. Wieder liefert Forschung die Basis: Man sucht in Genbanken oder den Herkunftsregionen der jeweiligen Kulturarten nach seltenen, bisher kaum bekannten Wildarten oder Landrassen, die besonders gut an Trockenheit angepasst sind.

Oft ist es allerdings schwierig, im Genom dieser Pflanzen die dafür verantwortlichen Gene und Genabschnitte zu identifizieren. Man nutzt statt dessen sogenannte molekulare Marker - verschiedene DNA-Sequenzen, welche die gewünschte Eigenschaft als charakteristisches Muster „markieren“. Voraussetzung ist, dass solche Marker zuvor durch Genomsequenzierung und -analyse identifiziert worden sind.

Nach der Einkreuzung trockentoleranter Verwandter in Kultursorten lässt sich in den Nachkommen überprüfen, ob die mit dem angestrebten Merkmal korrelierenden Marker vorhanden sind. Mit diesen Pflanzen wird dann weitergezüchtet. Verschiedene Sorten mit so verbesserter Stresstoleranz und Wassereffizienz werden bereits angebaut.

Gentechnik: Während man mit Smart Breeding versucht, genetische Netzwerke von Wild- in Kulturpflanzen möglichst optimal „einzukreuzen“, werden mit gentechnischen Verfahren einzelne Gene für bestimmte Schlüsselproteine oder Hormone übertragen. Diese kommen in einigen Pflanzenarten von Natur aus vor und sorgen dafür, dass diese bei Dürre oder Hitze ihr Wachstum länger aufrecht erhalten können. So setzt etwa die Notreife, mit der sich manche Pflanzen einkapseln, erst später ein. Werden solche „Booster“-Gene in andere Pflanzenarten eingeführt, können sie auch dort ähnlich wirken.

Trotz anfänglicher Enttäuschungen sind inzwischen bei mehreren Kulturarten gv-Sorten auf dem Markt, die zumindest unter moderatem Hitze- oder Dürrestress bessere Erträge liefern als vergleichbare konventionelle Sorten.

  • Schon seit 2013 wird in den USA DroughtGard-Mais angebaut. Er besitzt ein zusätzliches Gen aus Bacillus subtilis-Bakterien, das für die Bildung des „Kälte-Schock-Proteins“ (cspB) sorgt. In Stresssituationen wie Wassermangel trägt es dazu bei, wichtige Zellfunktionen aufrechtzuerhalten. Inzwischen ist das cspB-Gen in zahlreichen Maissorten als Standard-Merkmal enthalten. Bei leichter Trockenheit sollen diese ohne zusätzliche Bewässerung sechs bis zehn Prozent mehr Erträge bringen.
  • In Argentinien sind Sojabohnen entwickelt worden, deren bessere Stresseigenschaften auf ein neu eingeführtes Gen (HB4) aus der Sonnenblume zurückgehen, welches die Ethylenbiosynthese und damit das Pflanzenwachstum unter Stress beeinflusst. In Feldversuchen lagen die Erträge bei Trockenstress und hohem Salzgehalt um 14 Prozent höher als bei herkömmlichen Sojabohnen. Auch in Weizen wurde das HB4-Gen eingeführt, dort sogar mit noch deutlicheren Ertragssteigerungen. Sowohl der Weizen als auch die Sojabohnen sind in Argentinien für den Anbau zugelassen, die HB4-Sojabohnen auch in Kanada, den USA, Brasilien und Paraguay.
  • In Indonesien befindet sich Zuckerrohr mit erhöhter Trockentoleranz im Versuchsanbau. Hier wurde ein bakterielles Gen für ein Protein eingeführt, das Pflanzenzellen unter Trockenstress stabilisiert.
  • In Arabidopsis, der Modellpflanze der Pflanzengenetiker, sind weitere Gene und Genkombinationen „entdeckt“ worden, welche eine bessere Toleranz gegen Wassermangel, Hitze oder Salz vermitteln. In zahlreichen Projekten sind solche Gene auf verschiedene Kulturarten übertragen worden, etwa Erdnuss, Mungobohne, Kichererbse, Paprika oder Tomate. Mit einigen dieser Pflanzen werden bereits Freilandversuche durchgeführt.

Genome Editing (CRISPR/Cas): Verglichen mit Smart Breeding oder klassischer Gentechnik arbeiten Genome Editing-Verfahren weitaus präziser: Sie können an vorgegebenen Stellen im Erbgut Punktmutationen herbeiführen, DNA-Sequenzen umschreiben oder dort zusätzliche Gen-Strukturen einfügen, auch mehrere solcher Operationen gleichzeitig. Zudem können bewährte Sorten direkt editiert werden, ohne deren Anbau- und Produkteigenschaften zu verlieren.

Gerade Genome Editing kann die natürliche genetische Variabilität, die im Laufe der jahrtausendelangen Züchtung verloren gegangen ist, wiederherstellen und somit erneut züchterisch nutzbar machen. Das eröffnet neue Chancen, gerade wenn es um klimaresilientere Pflanzen geht. Doch Voraussetzung ist: Man muss nicht nur die Ziele im Genom sequenzgenau kennen, also Gene und genetische Faktoren, die klimarelevante Merkmale beeinflussen, sondern auch wissen, wie und wozu die „Gen-Scheren“ einzusetzen sind - und das gleich an mehreren Stellen, deren Gen-Funktionen sich oft gegenseitig beeinflussen.

Noch ist dafür viel Grundlagenforschung notwendig. Doch das Wissen, wie mit Genome Editing Pflanzen besser an den Klimawandel angepasst werden können, nimmt rasch zu, wie es eine wissenschaftliche Publikation – Hotter, drier, CRISPR: Editing for climate change – gerade erneut aufgezeigt hat.

Eine von der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (JRC) erstellte Übersicht listet weltweit knapp 40 Forschungsprojekte auf, die auf eine bessere Toleranz gegen abiotischen Stress - Hitze, Trockenheit, Überschwemmungen, Salz - abzielen, die meisten noch in einem frühen Stadium (2021). Fortgeschrittene Projekte, meist mit Hilfe von CRISPR/Cas, gibt es etwa bei Weizen, Sojabohnen, Kichererbsen, Tomaten und Kiwis. Ein trockentoleranter Reis, entwickelt vom Team der bekannten Pflanzenforscherin Pamela Ronald an der University of Davis in Kalifornien, soll demnächst im Freiland getestet werden.

Bereits an der Schwelle zur Markteinführung ist ein von dem Agrarkonzern Corteva (früher: DuPont-Pioneer) entwickelter Mais mit verbesserter Stresstoleranz. Wissenschaftler hatten herausgefunden, dass ein bestimmtes Protein (ARGOS8) die Empfindlichkeit der Zellen gegenüber dem Wachstumshormon Ethylen senkt. Produziert die Pflanze mehr ARGOS8-Protein, ist sie bei Stress robuster und stellt nicht wie sonst bei Wassermangel das Wachstum ein. Mit der CRISPR-Methode gelang es, den Schalter (Promotor) des ARGOS8-Gens so umzuschreiben, dass er auch unter Stressbedingungen aktiv bleibt. In ersten Feldversuchen zeigte sich, dass der so editierte Mais bei Trockenheit bessere Erträge liefert als vergleichbare konventionelle Sorten. Unter normalen Bedingungen blieben die Erträge dagegen unverändert.

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