Farbige Wäsche

Biotechnologie im Alltag: Enzyme sind fast überall

Enzyme begegnen uns täglich: Sie stecken in Wasch- und Reinigungsmitteln, in Textilien, Medikamenten und natürlich auch in vielen Lebens- und Futtermitteln. Sie sind an der Herstellung und Verarbeitung zahlreicher Produkte beteiligt, bei Papier, Textilien, Leder, bei Arzneimitteln und bei der Umwandlung von Pflanzen zu Biotreibstoffen. Fast alle diese Enzyme sind Produkte der Biotechnologie, produziert mit systematisch optimierten Mikroorganismen. Viele sind gentechnisch verändert.

Enzyme Waschmittel

Enzyme in Waschmitteln sind inzwischen Standard: Sie knacken alle möglichen Flecken und Verunreinigungen - und das schon bei 30° statt Kochwäsche.

Großes Foto oben: iStock)

Marktanteile von Enzymen, nach Anwendung, 2020

Enzyme: Umsätze. Der Lebensmittelsektor sowie Wasch- und Reinigungsmittel für den Haushalt machen mehr als die Hälfte des Umsatzes für Enzyme aus. Der globale Umsatz mit Enzymen wird auf etwa 10 Mrd. USD geschätzt (2020).

Enzyme, große, zu komplexen räumlichen Strukturen gefaltete Eiweißmoleküle, beschleunigen und steuern biochemische Reaktionen in- und außerhalb lebender Zellen. Sie spalten große Moleküle präzise in kleinere Einheiten auf, sie können aber auch vorhandene Molekülstrukturen modifizieren oder „umbauen“. Enzyme arbeiten sehr spezifisch: Jeweils ein Bereich der Oberfläche eines Enzyms passt genau zu einer bestimmten Stelle des Zielmoleküls (Schlüssel-Schloss-Prinzip). Inzwischen sind mehrere tausend Enzyme mit ihrer Struktur und Wirkungsweise beschrieben. In der Natur gibt es vermutlich mehr als eine Millon verschiedener Enzyme.

Schnell, präzise, hoch wirksam unter lebensfreundlichen Bedingungen – diese Eigenschaften machen Enzyme in vielen Industriebranchen interessant. Sie stecken als sanfte Wirkstoffe in vielen Produkten des Alltags, sie haben aber auch in vielen industriellen Prozessen früher übliche Chemikalien ersetzt und diese damit oft erheblich umweltfreundlicher gemacht. Und: Enzyme sind unverzichtbare Werkzeuge in der molekularbiologischen Forschung.

Enzyme, vor allem solche aus Alltagsprodukten oder industriellen Prozessen werden überwiegend aus Mikroorganismen – Hefen, Pilzen, Bakterien – gewonnen, einzelne auch aus Tieren und Pflanzen isoliert. Natürlicherweise bilden Mikroorganismen ihre Enzyme nur in geringen Spuren. Um sie wirtschaftlich nutzen zu können, müssen die Mengen erheblich gesteigert werden. Dazu sind die enzymproduzierenden Mikroorganismen systematisch gezüchtet und selektiert worden. Mit den großen Fortschritten in der Molekularbiologie, in Bio- und Gentechnik haben sich in den letzten dreißig Jahren die Möglichkeiten für den Einsatz und die Herstellung von Enzymen enorm erweitert.

Mit Hilfe gentechnischer Verfahren konnten etwa die Gene, die für ein bestimmtes Enzym codieren, so reguliert werden, dass die Ausbeute um ein Vielfaches steigt. In Mikroorganismen, die in besonderen Milieus – etwa Hitze – leben, konnten Gene für unter solchen Bedingungen aktive Enzyme identifiziert und auf bekannte Produktionsorganismen übertragen werden.

Inzwischen ist es auch möglich, ideale technische Enzyme mit den jeweils benötigten passgenauen Eigenschaften am Computer zu „entwerfen“. Die sich daraus ergebende Molekülstruktur wird in den DNA-Code übersetzt und dieser dann in geeignete Mikroorganismen eingeführt. Mit diesem Protein-Design ist es etwa gelungen, Waschmittelenzyme zu entwickeln, die auch bei niedrigen Temperaturen aktiv sind.

Ein großer Teil der Enzyme – sowohl industriell eingesetzte wie solche in zahlreichen Produkten des täglichen Lebens – werden mit Hilfe gentechnisch veränderter Mikroorganismen hergestellt. Dabei setzen die Biotechnologen neben der klassischen Gentechnik auch verschiedene neue molekularbiologische Verfahren ein, etwa gelenkte Evolution (schnelle Abfolge von Mutationen und automatisierter Auslese), Genome Editing (gezielte Punktmutationen) oder Synthetische Biologie. Die Grenzen zwischen Gentechnik – so wie sie in den aktuellen Gesetzen definiert ist – und anderen hochpräzisen biotechnologischen Verfahren sind gerade bei Mikroorganismen fließend.

Mit Enzymen: Weniger Energie, Ersatz aggressiver Chemikalien, geringere Umweltbelastung

Saubere Wäsche. In Wasch- und Reinigungsmitteln sind Enzyme Standard. Schon vor 100 Jahren wurden aus der Bauchspeicheldrüse gewonnene Extrakte – mit den darin enthaltenen „natürlichen“ Enzymen – Spezialwaschmitteln zugesetzt. Doch erst mit der modernen Biotechnologie wurde es möglich, die benötigten Enzyme mit genau definierten Eigenschaften und in gleichbleibender Qualität herzustellen. Heute sind Waschmittelenzyme biotechnologische High-Tech-Produkte. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Wäsche auch bei niedrigen Temperaturen und damit weniger Energieverbrauch sauber wird. Aufgrund ihrer hochspezifischen Wirkungsweise zersetzen die Waschmittelenzyme Stärke-, Fett- oder Eiweißflecken oder lösen sie von den Textilfasern ab.

In modernen Waschmitteln sind verschiedene Enzyme aktiv:

  • Proteasen zerlegen Eiweißverbindungen, etwa Eier-, Milch- oder Blutflecken.
  • Amylasen knacken stärkehaltige Flecken, etwa Saucen.
  • Lipasen zielen auf fetthaltige Verschmutzungen, auch Wachse wie in Lippenstift.
  • Pektinasen bauen hartnäckige Frucht- und Marmeladenflecken ab.
  • Cellulasen wirken schmutzablösend auf Farbpigmente, glätten Baumwollfasern und frischen die Textilfarben auf.

Weißes Papier ohne Chlor. Bei der Papierherstellung muss der Zellstoff gebleicht werden. Enzyme haben dabei das aggressive und umweltschädliche Chlor ersetzt. Auch das bei Kiefernholz austretende Pech wird durch Enzyme abgebaut und so verhindert, dass die Papiermaschinen verkleben. Beim Recycling von Altpapier baut ein Gemisch aus verschiedenen Enzymen die Druckerschwärze ab (Deinking).

Weiches Leder. Das Gerben von Tierhäuten hat eine Jahrtausende alte Tradition. Enzyme wie Proteasen und Lipasen entfernen Haar- und Gewebereste und verbessern so die Wirkung des Gerbens. Zudem wird das Leder weicher. Auch hier führt der Einsatz von Enzymen zu einer deutlichen Reduzierung von aggressiven Chemikalien. Außerdem sinkt der Wasserverbrauch zum Spülen und Reinigen der Tierhäute.

Textilien. Das Weben von Textilien ist mit starken mechanischen Beanspruchungen verbunden. Um das Reißen der Fäden zu verhindern, werden sie untereinander mit einer „Schlichte“ verbunden – meist Stärke. Vor dem Färben und Bleichen der Stoffe muss diese wieder entfernt („entschlichtet“) werden – mit Hilfe stärkeabbauender Amylasen.

Ein weiteres Anwendungsgebiete für Enzyme in der Textilindustrie ist das Ablösen kleiner Haare und Fusseln an der Oberfläche des Garns. Zudem verhindern sie die Knötchenbildung.

Bei der Herstellung sogenannter Stone washed-Jeans finden Cellulasen Verwendung, die in den Baumwollfasern beim Waschen gezielt winzige Risse erzeugen. Auf diese Weise entsteht der gewünschte Effekt, der früher sehr aufwändig mit Bimssteinen hervorgerufen wurde.

Biotreibstoffe der ersten Generation (Bioethanol) werden aus stärke- oder zuckerhaltigen Pflanzen wie Mais, Getreide, Zuckerrüben, Zuckerrohr gewonnen. Die Kohlenhydrate werden mit Hilfe von Hefen zu Alkohol vergoren. Durch den Einsatz von stärkeabbauenden Enzymen wird dieser Prozess beschleunigt und seine Effizienz verbessert.

Wegen der Flächenkonkurrenz zum Anbau von Lebensmitteln sollen künftig vor allem Reststoffe wie Stroh oder holzhaltige Abfälle zur Produktion von Bioethanol genutzt werden. Für diese Biotreibstoffe der zweiten Generation sind spezielle Enzyme erforderlich. Die wichtigsten sind Lipasen, Phospholipasen und Cellulasen. Um etwa Bioethanol aus Zellulose gewinnen zu können, zerlegen Enzyme die holzartigen Pflanzenfasern (Lignocellulose) in kleinere und damit verwertbare Bausteine. Diese werden dann biotechnologisch zu Bioethanol umgewandelt.

Enzyme in der Medizin: Herstellung von Wirkstoffen, Diagnostik, Medikamente, Forschung

Maßgeschneiderte Wirkstoffe. Die Pharmaindustrie nutzt Enzyme, um damit bestimmte Wirkstoffe zu synthetisieren. Deren Herstellung ist mit Hilfe von Enzymen oft deutlich selektiver, leistungsfähiger und umweltfreundlicher als mit chemischen Alternativen. Moleküle, die auf chemischem Wege nur schwer oder überhaupt nicht hergestellt werden können, lassen sich mit Enzymen schnell und kostengünstig erzeugen. Dabei werden auch synthetische Enzyme verwendet, die für den jeweiligen Anwendungsbereich optimiert sind.

In der medizinischen Diagnostik kommen Enzymen in vielen biochemischen Testverfahren zum Einsatz. Schon seit den 1980er Jahren werden Enzyme für solche Zwecke mit Hilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen und Zellkulturen hergestellt. Ein Beispiel ist das Enzym Glucoseoxidase, das bei der Blutzuckermessung eingesetzt wird. ELISA (Enzyme-Linked ImmunoSorbent Assay), ein in der Medizin weit verbreitete Testverfahren, dient dazu, eine Vielzahl an Substanzen wie Antikörper, Parasiten oder Allergene mit Hilfe spezieller Enzyme hochsensitiv nachzuweisen.

Enzyme werden auch als Arzneimittel in Form von Tabletten, Kapseln sowie als Injektionen und Infusionen eingesetzt (therapeutische Enzyme). Sie werden etwa verabreicht, um fehlende oder nicht ausreichend vorhandene körpereigene Enzyme zu ersetzen. Dies können Verdauungsenzyme wie Lipasen, Amylasen, Proteasen, Cellulasen oder Laktasen sein. Auch zur Behandlung angeborener Stoffwechselstörungen wie Mukoviszidose werden Enzyme, hergestellt mit Hilfe gentechnisch veränderter Organismen, eingesetzt. Andere therapeutische Enzyme können unerwünschte Stoffe im Körper gezielt abbauen.

In der Molekularbiologie sind bestimmte Enzyme die Werkzeuge, mit denen man die DNA als Träger der Erbinformation zerschneiden und zusammenfügen kann. So erkennen Restriktionsenzyme spezifische Abfolgen von Nukleotiden, um genau an dieser Stelle die DNA zu zertrennen. Andere Enzyme - Ligasen - können DNA-Stränge aus verschiedensten Organismen wieder zusammenfügen.

Lebensmittel-Enzyme, die diskreten Alleskönner

Bei vielen Nahrungsmitteln spielen Enzyme eine wichtige, allerdings oft unterschätzte Rolle. Was sie können, ist vielseitig: Sie modifizieren Stärke, optimieren Fette und Eiweiße, stabilisieren Schäume, „verkleben“ Fleischteile zu Kochschinken und helfen beim Design „natürlicher“ und zugleich technologisch funktionaler Aromen. Enzyme konservieren Mayonnaise, verhindern das Kleben von Nudeln nach dem Kochen, klären Apfelsaft und halten das Brot frisch. Bei der Herstellung von Käse ist das Enzym Chymosin unentbehrlich, da es die „Dicklegung“ der Milch einleitet. Es ist Hauptbestandteil des Labferments, das traditionell aus den Mägen geschlachteter Kälber gewonnen wird. Heute wird Chymosin überwiegend mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen gewonnen.

Die wirtschaftlich wichtigste Anwendung von Enzymen im Lebensmittelbereich ist die Stärkeverzuckerung. Enzyme spalten pflanzliche Stärke in ihre Grundbestandteile – verschiedene Zucker – auf. Daraus werden – wiederum mit Enzymen – zahlreiche Süßstoffe, Zuckerersatzstoffe und Sirupe wie Glukosesirup oder Isoglukose hergestellt.

Futtermittel. Enzymbeimischungen im Tierfutter helfen, die Nahrungsbestandteile besser zu erschließen, so dass möglichst alle verdaulichen Pflanzen tatsächlich genutzt werden. Gängige Enzyme im Futter sind etwa Xylanasen, Amylasen und Proteasen.

Das am weltweit häufigsten verwendete Futterenzym ist Phytase. Es wird dem Futter für Nicht-Wiederkäuer wie Schweine und Geflügel beigemischt, damit sie den in den Futterpflanzen vorhandenen Phosphor als Nährstoff erschließen können. Mit dem Zusatz von Phytase kann auf die sonst übliche Zufütterung von Phosphat verzichtet werden. Dadurch sinkt der Phosphorgehalt in Gülle oder Stalldung, und die Phosphatbelastung der Umwelt bei der Düngung kann deutlich reduziert werden.

Anders als etwa Schweine sind Wiederkäuer in der Lage, sich mit Hilfe der in ihrem Verdauungstrakt lebenden Bakterien den in der pflanzlichen Nahrung enthaltenen Phosphor verfügbar zu machen. Schweine und Geflügel können das nicht. Ohne Zufuhr von Phosphor oder eine bessere Erschließung der Phosphorverbindungen im Futter käme es zu gravierenden Ernährungsmängeln.