Butterfinger, Kennzeichnung

Warum es viel Gentechnik, aber keine Produkte mit Kennzeichnung gibt

Wenn man aufs Etikett schaut, dann sind die Lebensmittel in Deutschland „Gentechnik-frei“. Im Supermarkt gibt es Produkte mit Kennzeichnung jedenfalls nicht. Dennoch, so schätzen Branchen-Insider, soll bei 60 bis 80 Prozent aller Lebensmittel die Gentechnik im Spiel sein. Deren Anwendungen bleiben jedoch unterhalb der gesetzlichen Kennzeichnungsschwelle.

Ein vollständiger, sich über die gesamte Warenkette erstreckender Verzicht auf Gentechnik - oder genauer: auf gentechnisch veränderte Organismen (GVO) - ist inzwischen nur schwer möglich: Weltweit werden immer mehr gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut. Die Ernteprodukte gehen als Futtermittel und Rohstoffe für die Lebensmittelindustrie in die ganze Welt. Und vor allem: Viele Zusatzstoffe, Vitamine und Enzyme werden mit gentechnisch veränderten Mikroorganismen produziert.

Resse's, Riegel, Kennzeichnung

Importprodukte mit Kennzeichnung: Vereinzelt sind auch in Deutschland aus den USA importierte Produkte anzutreffen, die gekennzeichnet sind, etwa der „Reese’s“ - Riegel. Er enthält Zutaten aus gentechnisch veränderten Zuckerrüben, gv-Mais und gv-Sojabohnen.

Dass sich diese Entwicklung dennoch nicht auf den Etiketten der Lebensmittel sichtbar niederschlägt, hat mehrere Gründe.

Hersteller: Kennzeichnung vermeiden

Viele Verbraucher sehen die Kennzeichnung als Hinweis auf mögliche gesundheitliche Risiken. Sie fühlen sich auf der „sicheren Seite“, wenn sie sich für Produkte entscheiden, die nicht gekennzeichnet sind. Die Kennzeichnung wird als Warnhinweis interpretiert, nicht als Information über die Anwendung der Gentechnologie.

Die Hersteller müssen davon ausgehen, dass ihre Produkte auf dem Markt keine Chance haben, wenn sie korrekt gekennzeichnet sind: Die Konsumenten würden sie im Regal liegen lassen und lieber zum nicht gekennzeichneten Produkt greifen - obwohl hinsichtlich Sicherheit und Produkteigenschaften keine Unterschiede bestehen. Und wenn doch einmal ein gekennzeichnetes Produkt im Supermarkt auftaucht, setzen Umwelt- und Verbraucherverbände Hersteller oder Händler solange mit spektakulären Aktionen unter Druck, bis sie es wieder aus dem Angebot entfernen.

Wer korrekt kennzeichnet, wird mit Umsatz- und Vertrauensverlusten bestraft. Um das zu vermeiden, haben viele Hersteller die Rezepturen ihrer Produkte geändert: Bei Margarine werden etwa anstelle von Sojaölen Rapsöle verwendet, statt Sojalecithin etwa Lecithin aus Sonnenblumen oder chemische Emulgatoren.

Andere kaufen gegen Aufpreis Soja-Rohstoffe, bei denen durch Zertifikate bescheinigt wird, dass der GVO-Anteil unter dem Schwellenwert von 0,9 Prozent bleibt, so dass keine Kennzeichnungspflicht für die daraus hergestellten Zutaten besteht.

Gentechnik: Meist unterhalb der Kennzeichnungsschwelle

Gerade Bereiche, bei denen die Anwendung der Gentechnik weit verbreitet und oft nicht vermeidbar ist, werden von der Kennzeichnung nicht erfasst.

Ausgenommen von der Kennzeichnung sind etwa:

  • Fleisch, Milch, Eier und andere tierische Lebensmittel, wenn die Tiere Futter aus gv-Pflanzen erhalten haben.
    Jährlich werden etwa 35 Millionen Tonnen Sojarohstoffe in die EU eingeführt - rein rechnerisch sind das etwa 60 kg für jeden EU-Bürger. Diese Importe bestehen überwiegend aus gv-Sojabohnen. Sie werden vor allem als Futtermittel genutzt.
  • Ebenfalls ohne Kennzeichnung erlaubt sind „zufällige, technisch unvermeidbare“ GVO-Beimischungen bis zu 0,9 Prozent, sofern der betreffende GVO in der EU zugelassen ist.
    So findet die amtliche Lebensmittelüberwachung seit Jahren in 20 bis 25 Prozent der untersuchten sojahaltigen Lebensmittel geringfügige GVO-Anteile meist deutlich unterhalb dieser 0,9-Prozent-Schwelle.
  • Zusatzstoffe, Vitamine und Aromen, die mit Hilfe gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden.
    Bei einigen Vitaminen - etwa Vitamin B2 - und vielen Aminosäuren sind solche Herstellungsverfahren inzwischen die Regel. Auch bei mehrerer Zusatzstoffen haben sich gentechnische Verfahren inzwischen durchgesetzt, etwa Cystein.
  • Lebensmittelenzyme, die mit gv-Mikroorganismen hergestellt werden.
    Inzwischen werden zahlreiche Enzyme unter Einsatz von gv-Mikroorganismen produziert. Sie werden nicht nur bei Waschmitteln oder in der Textil- und Papierindustrie verwendet, sondern auch bei der Herstellung und Verarbeitung von Käse, Backwaren, Saft oder Wein.
    Zahlreiche, in der Lebensmittelherstellung häufig verwendete Zutaten wie Traubenzucker, Glukosesirup, Isoglukose oder Sorbit sind Produkte der Stärkeverzuckerung. Dabei wird pflanzliche Stärke mit Hilfe von meist „gentechnisch hergestellten“ Enzymen in Zuckerbausteine aufgespalten.

Nach Schätzungen sind etwa 60 bis 80 Prozent des Lebensmittelsortiments von solchen nicht kennzeichnungspflichtigen Gentechnik-Anwendungen betroffen.