Pflanzenschutz

25 Jahre Gentechnik-Pflanzen in der Landwirtschaft: In Europa meist verboten, anderswo selbstverständlich

Im Frühjahr 1995 pflanzten ein paar Farmer in den USA pflanzten die berühmte Anti-Matsch-Tomate. Erfolg hatten sie damit nicht. Richtig los ging es dann ein Jahr später - und seitdem sind die Flächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen Jahr für Jahr gestiegen - auf nunmehr fast 200 Millionen Hektar. Der Anbau konzentriert sich auf einige große Agrarländer, doch die Ernten werden in nahezu alle Länder der Welt exportiert. Doch die EU bleibt skeptisch, in den meisten Ländern ist der Anbau von gv-Pflanzen verboten. Auch wenn sich die ganz großen Erwartungen nicht erfüllt haben - die so oft heraufbeschworenen Katastrophen und Negativszenarien sind nicht eingetreten.

Anbau von gv-Pflanzen nach Ländern 1996 bis 2019
Anbau von gv-Pflanzen 1996 bis 2019 nach Pflanzen

Immer mehr Flächen, aber wenige Pflanzenarten in wenigen Ländern. Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen 1996-2019

Großes Foto oben: Valentin Volkov/123RF

Gentechnisch veränderte Pflanzen weltweit: Flächen, Länder, Kulturarten. Im Frühjahr 1995 wurden erstmals gentechnisch veränderte Pflanzen ausgebracht. Doch die berühmte Anti-Matsch-Tomate, mit der alles begann, verschwand schnell wieder. Über ein paar Hektar kam sie nicht hinaus. Richtig los ging es erst 1996, als amerikanische Farmer die ersten transgenen Mais- und Sojabohnensorten aussäten. Seitdem sind die damit bewirtschafteten Flächen kontinuierlich gestiegen - nicht nur in den USA. 2019 summierten sie sich auf mehr als 190 Millionen Hektar – mehr als das Fünffache der Gesamtfläche Deutschlands.

Trotz der gewaltigen Flächen, die mit gv-Pflanzen bewirtschaftet werden, ist ihr Anbau bis heute auf wenige Länder beschränkt, in erster Linie auf die großen agrar-exportierenden Länder in Nord- und Südamerika. Hinzu kommen Indien und China, die sich bisher jedoch auf eine Kulturart – Baumwolle – beschränken sowie weitere knapp vierzig Länder mit meist deutlich kleineren Flächen.

Auch die Kulturarten, bei denen gv-Sorten ausgesät werden, sind über viele Jahre die gleichen geblieben: Sojabohnen, Mais, Baumwolle und Raps. Inzwischen sind – mit großem Abstand – noch Zuckerrüben und Alfalfa (Luzerne) hinzugekommen. Einige der frühen Entwicklungen wie die berühmte Anti-Matsch-Tomate oder die ersten gv-Kartoffeln mit einer Resistenz gegen Kartoffelkäfer sind längst wieder vom Markt verschwunden. Fortgeschrittene Projekte etwa bei Weizen, Weintrauben oder Pflaumen wurden schon vor einer Markteinführung eingestellt. Allein die seit 1998 angepflanzten Papayabäume auf Hawaii, die ohne die Möglichkeiten der Gentechnik wohl einem verheerenden Virus zum Opfer gefallen wäre, sind eine Ausnahme.

Bei den gentechnisch neu eingeführten Eigenschaften ist es im Wesentlichen bei zwei Merkmalen geblieben: Resistenz gegen Schadinsekten (Bt-Pflanzen) sowie Toleranz gegenüber Herbiziden, wenn auch in verschiedenen Varianten und Kombinationen. Andere Merkmale - etwa Gene für Virusresistenzen, Trockentoleranz, veränderte Inhaltsstoffe und Produkteigenschaften – sind inzwischen zwar auch erfolgreich übertragen worden, doch deren Flächen fallen bisher kaum ins Gewicht. Dennoch: Neue gentechnisch veränderte Pflanzen sind bei Kartoffeln, Apfelbäumen, Auberginen, Zuckerrohr und Bohnen auf dem Markt, einige mit beachtlichem Erfolg.

Baumwolle, Kleinbauer in Indien

Kleinbauern in Indien: Der Anbau gentechnisch veränderter Baumwolle hat ihre Lebensbedingungen verbessert.

Insektizideinsatz bei Mais in den USA 1996 bis 2016

Weniger Insektizide im Maisanbau in den USA
Foto: Matin Qaim, GUA Göttingen

Nutzen für Landwirte. Für die meisten Landwirte zahlt sich die Entscheidung für gv-Sorten wirtschaftlich aus. Das trifft sowohl für die großen Agrarbetriebe in den Industrienationen zu als auch für Kleinbauern vor allem in Indien und China, die den überwiegenden Teil der insgesamt 18 Millionen gv-Pflanzen anbauenden Landwirte ausmachen.

Eine 2014 veröffentlichte Studie über die Erfahrungen in den USA zeigte, dass sich für die meisten US-Farmer trotz deutlich höherer Saatgutpreise der Anbau von gv-Sorten rechnet. Insektenresistente Bt-Pflanzen – vor allem Mais und Baumwolle – haben nicht nur ein drastisches Absinken des Insektizid-Einsatzes bewirkt. Auch die Ertragsverluste durch Schädlingsbefall gingen zurück.

Anders bei herbizidtoleranten gv-Sorten: Hier nahm der Verbrauch von Herbiziden sogar wieder zu, vor allem weil sich in Folge von Anwendungsfehlern nach einiger Zeit resistente Unkräuter auf den Agrarflächen ausbreiteten, gegen die das Herbizid – vor allem Glyphosat – seine Wirksamkeit eingebüßt hatte. Der wirtschaftliche Vorteil des Unkrautbekämpfungskonzepts aus resistenten gv-Pflanzen und dazu passendem Herbizid liegt dagegen in seiner Effektivität. Die Landwirte sparen Zeit und können Arbeitskraft und Maschinen flexibler einsetzen - und vor allem - zumindest teilweise - auf das Pflügen verzichten. In den USA haben sich so im Mais- und Sojaanbau bodenschonende Bearbeitungsverfahren durchgesetzt.

Nach einer Meta-Analyse, für die Göttinger Agrarwissenschaftler 147 Studien aus verschiedenen Ländern analysiert haben, stiegen die Ernteerträge mit dem Anbau von gv-Pflanzen durchschnittlich um 22 Prozent. Die Menge der eingesetzten Pflanzenschutzmittel ging insgesamt um 37, bei insektenresistenten Bt-Pflanzen sogar um 42 Prozent zurück. Die positiven wirtschaftlichen Effekte - mehr Ertrag und Einkommen - sind in den Entwicklungsländern deutlich ausgeprägter als in den Industrieländern.

Trotz einzelner Berichte über Probleme und Misserfolge: Für die Mehrzahl der Landwirte bringen gv-Sorten Vorteile – für viele Kleinbauern in Entwicklungsländern sogar die Chance, damit ihre Lebensbedingungen deutlich zu verbessern. Überall können die Landwirte zwischen konventionellen und gv-Sorten wählen. In der Mehrzahl haben sie sich nach ersten Erfahrungen im Folgejahr offenbar erneut für gv-Sorten entscheiden.

Soja: Handelsströme 2020

Globaler Sojahandel. In den Erzeugerländern Nord- und Südamerikas werden zu etwa 95 Prozent gentechnisch veränderte Sojabohnen angebaut.
Grafik: transgen/Stefan Pigur

Europa bleibt skeptisch. Obwohl die gv-Ernteprodukte aus Nord- und Südamerika rund um den Globus exportiert werden, zögern viele Länder, den Anbau solcher Pflanzen bei sich zuzulassen. Nicht nur in Europa, sondern beispielsweise auch in Indien, den Philippinen und inzwischen sogar in den USA ist die Grüne Gentechnik gesellschaftlich umstritten. Das Misstrauen in das Sicherheitsversprechen der Wissenschaft ist gewachsen, aber auch die Sorge, mit gv-Pflanzen in Abhängigkeit von internationalen Konzernen zu geraten und die eigene Ernährungssouveränität einzubüßen.

Mit Ausnahme Spaniens und Portugal duldet Europa keine gv-Pflanzen auf den Feldern. Die meisten EU-Mitgliedstaaten – auch Deutschland - haben sich auf die nationalen Ausstiegsklauseln in den Gentechnik-Gesetzen der EU berufen und damit bei sich den Anbau aller gv-Pflanzen verboten - obwohl sie in der EU zugelassen und nach aktuellem Stand des Wissens als sicher eingestuft wurden. Daran wird sich so schnell auch nichts ändern. Gleichzeitig sind trotz hoher Zulassungshürden und komplizierter politischer Entscheidungsprozesse 85 verschiedene gv-Pflanzen (Events) für den Import in die EU zugelassen und dürfen hier uneingeschränkt zu Lebens- und Futtermitteln verarbeitet werden.

Aus Nord- und Südamerika importiert die EU jährlich 30 bis 35 Millionen Tonnen Sojabohnen, diese sind überwiegend gentechnisch verändert. Sie werden überwiegend als Futtermittel verwendet.

ZDF-heute zu Genmais

Seralinis Ratten. „Erhöhtes Krebsrisiko durch Gen-Mais“ titelten die Medien über die Studie. Später wurde sie wegen gravierender wissenschaftlicher Mängel zurückgezogen.

Risiken: Nicht bestätigt. Bisher gibt es in der Praxis keine Hinweise auf besondere Gefahren durch gv-Pflanzen - weder für die Umwelt, noch für die Gesundheit von Menschen und Tieren. Die Konzepte zur wissenschaftlichen Sicherheitsbewertung, die weltweit bei der Zulassung von gv-Pflanzen und den daraus gewonnenen Produkten angewandt werden, haben sich als tauglich erwiesen. Die derzeit genutzten gv-Pflanzen sind nicht weniger sicher als vergleichbare konventionelle Produkte. Das bestätigen auch die Stellungnahmen zahlreicher wissenschaftlicher Kommissionen und Gesellschaften. Dieser von einer großen Mehrheit der Wissenschaftler getragene Konsens wird auch durch eine Auswertung von knapp 1800 Studien und Untersuchungen zu verschiedenen Sicherheitsaspekten von gv-Pflanzen bestätigt.

Allerdings erregten einzelne Studien, deren Ergebnisse diesem Konsens zu widersprechen schienen, wiederholt die öffentliche Aufmerksamkeit. Etwa eine Studie des franzözischen Toxikologen Gilles-Eric Séralini, der bei einem Fütterungsversuch mit einem gv-Mais bei Ratten eine erhöhte Anfälligkeit für Tumore festgestellt haben wollte, oder eine österreichische Mehrgenerationen-Studie, bei der Mäuse weniger Nachkommen zur Welt brachten, wenn sie einen bestimmten gv-Mais im Futter hatten. Fast alle diese Studien wurden wegen wissenschaftlicher und anderer Mängeln später wieder zurückgezogen, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nahm.

Was Kritiker häufig als „Gentechnik-Unfälle“ darstellen, sind unerlaubte oder unbeabsichtigte Vermischungen von konventionellen und GVO-Produkten. So wurden etwa Spuren nicht zugelassener gv-Pflanzen in Reis, Mais oder Leinsamen gefunden. Bei den meisten dieser Fälle handelt es sich um Gesetzesverstöße und mangelnde Sorgfalt im Umgang mit GVO-Produkten, die oft große wirtschaftliche Schäden zur Folge hatten, aber keine Gefahr für Umwelt und Gesundheit darstellten.

CRISPR

Was kommt? Die neuen Genome Editing-Verfahren werden die klassische Gentechnik zurückdrängen.
Abb: Chris Labrooy, Nature

Die nächsten zehn Jahre. Vieles deutet darauf hin, dass die nächsten zehn Jahre für die Grüne Gentechnik nicht einfach eine Fortschreibung der bisherigen Geschichte sein werden. In der Pipeline neuer gv-Pflanzen, deren Entwicklung weit fortgeschritten ist, rücken bisher weniger wichtige Merkmale stärker nach vorn, etwa Stress- und Trockentoleranz, Resistenzen gegen Pilz- und Virenkrankheiten oder Anreicherung mit Nährstoffen. Eine Reihe afrikanischer Staaten, aber auch Indien, Vietnam oder Bangladesh geben sich gerade eigene Gentechnik-Gesetze und bauen geeignete Behörden auf, Anzeichen dafür, künftig stärker gv-Pflanzen nutzen zu wollen. Erste Zulassungen zum Anbau solcher Pflanzen sind etwa in Nigeria, Bangladesh und auf den Philippinen erteilt worden.

Vor allem aber wird sich mit den gerade viel diskutierten neuen Züchtungsverfahren - insbesondere Genome Editing und CRISPR/Cas - vieles ändern. Vor allem dann, wenn so editierte Pflanzen rechtlich nicht als „gentechnisch verändert“ eingestuft werden, wozu sich außerhalb Europas fast alle großen Agrarländer entschieden haben. Die neuen Verfahren sind einfacher, schneller, präziser und damit sicherer, die Zulassungsverfahren für solche Pflanzen entfallen oder sind erheblich einfacher. Die klassische Gentechnik wird an Bedeutung verlieren.

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